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("Könnten etwa die ganzen gewaltigen politischen Probleme dieser Welt für einen Menschen, der an den Tod und die ihm gesetzte Frist glaubt, so groß sein, dass (die Beschäftigung mit Tod und Jenseits) für ihn zu einem Mittel werden könnte (sie zu lösen)? Denn da die Todesstunde unbestimmt ist, sie uns also zu jeder Zeit, wenn unsere Frist abgelaufen ist, den Kopf abschlagen kann, so ist sie entweder eine immerwährende Verurteilung zum Tode oder aber..." içeriğiyle yeni sayfa oluşturdu) |
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61. satır: | 61. satır: | ||
Könnten etwa die ganzen gewaltigen politischen Probleme dieser Welt für einen Menschen, der an den Tod und die ihm gesetzte Frist glaubt, so groß sein, dass (die Beschäftigung mit Tod und Jenseits) für ihn zu einem Mittel werden könnte (sie zu lösen)? Denn da die Todesstunde unbestimmt ist, sie uns also zu jeder Zeit, wenn unsere Frist abgelaufen ist, den Kopf abschlagen kann, so ist sie entweder eine immerwährende Verurteilung zum Tode oder aber der Entlassungsschein für eine Reise in eine noch schönere Welt. Das Grab, welches sich niemals schließt, ist entweder das Tor zu einem ewigen Pfuhl der Finsternis und des Nicht-mehr-Seins, oder aber das Tor zu einer beständigen Welt, die immerwährend und lichterfüllt ist. | Könnten etwa die ganzen gewaltigen politischen Probleme dieser Welt für einen Menschen, der an den Tod und die ihm gesetzte Frist glaubt, so groß sein, dass (die Beschäftigung mit Tod und Jenseits) für ihn zu einem Mittel werden könnte (sie zu lösen)? Denn da die Todesstunde unbestimmt ist, sie uns also zu jeder Zeit, wenn unsere Frist abgelaufen ist, den Kopf abschlagen kann, so ist sie entweder eine immerwährende Verurteilung zum Tode oder aber der Entlassungsschein für eine Reise in eine noch schönere Welt. Das Grab, welches sich niemals schließt, ist entweder das Tor zu einem ewigen Pfuhl der Finsternis und des Nicht-mehr-Seins, oder aber das Tor zu einer beständigen Welt, die immerwährend und lichterfüllt ist. | ||
Nun sehen Sie bitte, wie uns hier die Risale-i Nur in der Huld (feyz) der heiligen Offenbarung des Qur'an (keshfiyat-i qudsiye-i Qur'aniye) mit der gleichen absoluten Sicherheit wie zwei mal zwei vier ist, zeigt, dass es eine ohne allen Zweifel absolut sichere Möglichkeit gibt, diese permanente Verurteilung zum Tode in festgesetzter Stunde umzuwandeln in einen Entlassungsschein, das Grab, diesen abgrundtiefen Pfuhl des Nichtseins in das Tor zu einem wunderhübsch gestalteten Garten. Sehen Sie, um diesen Ausweg zu finden, würde ich ohne zu zögern alles aufgeben, ja selbst wenn alle Herrlichkeit dieser Welt mein wäre. Es würde sie in der Tat jeder opfern, der seine fünf Sinne beieinander hat... | |||
So betrachten Sie bitte, meine Herren, wie die Risale-i Nur hunderte von Problemen gleich diesem Problem aufdeckt und erklärt. Eine solche Botschaft (risalah) mit Augen zu betrachten, als handle es sich dabei um gefährliche Schriften, um ein Buch mit Hintergedanken, dass sich - Gott bewahre und verhüte es hunderttausendmal! - als ein Werkzeug für gewisse politische Strömungen benutzen ließe: welcher gerechte Geist könnte so etwas erlauben? welcher verstandesgemäße Geist könnte so etwas annehmen? welches Gesetz dergleichen fordern? Werden etwa nicht künftige Generationen und die, welche in der wahren Zukunft, dem Jenseits, leben (ehlu-l'ahirah) und der Herrscher in Seiner Majestät (Hâkim-i Dhu-l'Djelal) denen, welche die Urheber einer solchen Betrachtungsweise sind, diese Frage vorlegen? Zudem ist es auch notwendig, dass diejenigen, welche in unserem gesegneten Vaterland über ein Volk herrschen, das von Natur aus religiös (fitraten dindar) ist, zur Erfüllung ihrer Regierungsaufgaben sicherlich auch die religiöse Seite des Lebens vertreten und sie auch fördern. Und es ist weiterhin auch notwendig, dass eine laizistische Republik, zu deren Prinzipien es gehört, unparteiisch zu sein und die aufgrund dieses Prinzips die Atheisten unbehelligt lässt, sicherlich auch die Gläubigen nicht unter fadenscheinigen Begründungen belästigt. | |||
'''Zum Dritten:''' | |||
''' | Es sind nunmehr 12 Jahre her, dass die Herren in Ankara meine "Sechs Schritte" (Hutuvat-i Sitte) genannte Kampfschrift gegen die Engländer zu schätzen wussten und mich eingeladen hatten. Und ich bin gekommen. Doch war ich damals schon nicht mehr ganz der Jüngste und ihr Verhalten entsprach nicht mehr meinem Geschmack. | ||
Sie sagten zu mir: "Arbeiten Sie mit uns zusammen!" | |||
Ich erwiderte ihnen: "Der Neue Said möchte jetzt für die andere Welt (akhiret) arbeiten. Er wird zwar nicht mit Ihnen zusammenarbeiten, doch er wird auch nicht gegen Sie revoltieren.“ | |||
Ich habe in der Tat weder gegen sie revoltiert, noch mit den Revolutionären paktiert. Denn durch sie wurde dieses Genie von einem Soldaten, welcher dazu geeignet gewesen wäre, die Tradition einer islamischen Nation zu stützen, leider dazu veranlasst gegen eben diese Traditionen Front zu machen. In der Tat habe ich unter den Herren in Ankara und besonders bei ihrem Staatspräsidenten diese Genialität bemerkt und gesagt: | |||
"Es nicht erlaubt, den Verdacht eines solchen Genies zu erregen, sodass er sich schließlich gegen die Tradition wendet.“ Deshalb habe ich mich so weit wie möglich aus ihrer Welt zurückgezogen und mich nicht in ihre Angelegenheiten eingemischt. Seit 13 Jahren habe ich mich aus der Politik zurückgezogen. Ja, 20 Mal habe ich die Festtage (bayram) einsam und allein wie ein Gefangener in meinem Zimmer vorübergehen lassen, alle die Feste und Feiern, vielleicht ein oder zwei von ihnen ausgenommen, um ja nicht in den Verdacht zu geraten, ich hätte bei der Politik meine Hand mit im Spiel. | |||
Nachstehend noch einige Beweise dafür, dass ich nicht gegen die Regierungsangelegenheiten revoltiert habe und mich auch gar nicht damit habe beschäftigen wollen: | |||
'''Erster Beweis:''' | |||
''' | Die Zeitungen, die in den letzten 13 Jahren das Sprachrohr der Politik gewesen sind, habe ich in dieser ganzen Zeit nicht gelesen. Das wissen meine Freunde in Barla (ein Dorf im Vilayat Isparta), wo ich 9 Jahre lang gewohnt habe, ebenso wie die in Isparta, wo ich 9 Monate lang meinen Aufenthalt gehabt habe. Lediglich im Polizeirevier in Isparta kam mir gegen meinen Willen ein Zeitungsartikel zu Ohren, indem ein gottloser und völlig einseitig denkender Reporter die Nur-Schüler angriff. | ||
'''Zweiter Beweis:''' | |||
''' | 10 Jahre habe ich im Vilayat Isparta verbracht. Trotz aller politischen Veränderungen und Umwälzungen, die sich in dieser Zeit in der Welt ereignet haben, konnte man bei mir nie irgendwelche Anzeichen oder Spuren entdecken, die auf eine politische Tätigkeit hingewiesen hätten. | ||
'''Dritter Beweis:''' | |||
''' | Was sich niemand hätte einfallen lassen, geschah, als plötzlich in meiner Wohnung eine Hausdurchsuchung vorgenommen und das unterste zu oberst gekehrt wurde. Man beschlagnahmte meine Bücher und selbst meine ganz persönlichen (mahrem) Aufzeichnungen der letzten 10 Jahre. Doch sowohl der Gouverneur des Vilayats als auch der Polizeipräsident mussten gestehen, dass sie kein politisch belastendes Material in meinen Büchern finden konnten. Ja wenn man in den ganz persönlichen Aufzeichnungen eines Mannes, der wie ich grundlos verbannt, gnadenlos schikaniert, tyrannisiert und gequält wurde und dabei auch noch ständig unter Beobachtung stand, 10 Punkte (der Anklage) in 10 Jahren hätte finden können, hätte man sie dann nicht vielmehr schon in 10 Monaten bei diesen Menschenschindern (dhalim) (finden und ihnen) um die Ohren hauen können? | ||
Aber selbst wenn man sagen könnte: "Man hat mehr als 20 verdächtige Briefe vorgefunden." | |||
würde ich dennoch antworten: Diese Briefe wurden im Verlaufe einiger Jahre abgefasst. Ja, sind denn etwa zehn, zwanzig oder hundert Briefe in zehn Jahren an zehn Freunde geschrieben schon zu viel? Da überdies aber der reine Austausch von bloßen Nachrichten frei ist und Ihre Interessensphäre überhaupt nicht berührt, könnten selbst tausend Briefe noch nicht den Gegenstand für eine Anklage darstellen.. | |||
'''Vierter Beweis:''' | |||
''' | Sie sehen, dass alle meine Schriften, die man bei mir beschlagnahmt hat, von der Politik abgewandt sind, wo hingegen ich mich in ihnen mit ganzer Kraft dem Glauben und dem Qur'an zugewandt und mit dem Leben in einer anderen Welt (akhiret) beschäftigt habe. Nur in zwei, drei Abhandlungen (risalah) hat der Alte Said sein Schweigen gebrochen, weil er über die Schikanen einiger hinterhältiger Beamter wütend war. Dabei richtete sich mein Protest nicht gegen die Regierung, vielmehr schrieb ich meine Anklage als der ungerecht Verfolgte gegen jene Beamten, die (ihre Stellung als) Beauftragte missbraucht hatten. Doch diese zwei, drei Risalat möchte ich als privat (mahrem) bezeichnen. Ich habe auch keine Erlaubnis zu ihrer Veröffentlichung gegeben. (Ihre Kenntnis) blieb (auf den Kreis) einiger enger Freunde beschränkt. Die Regierung richtet nur über Taten und schenkt nur tatsächlichen Geschehen ihre Beachtung. Sie hat kein Recht, in die Herzen hineinzuschauen und vertrauliche, persönliche Dinge zu betrachten. In seinem Herzen und in seinem Hause kann jeder tun und lassen, was er will, oder auch den Kaiser (padischah) kritisieren, wenn der ihm nicht gefällt. | ||
Zum Beispiel: Vor sieben Jahren - die neue Art (auf türkisch) zum Gebet zu rufen (edhan) war noch nicht eingeführt - versuchte ein Teil der Beamten, mich wegen meines Turbans zu belästigen, als auch wegen meiner ganz privaten Art, das Gebet nach Brauch der Schafi-Schule zu verrichten. Über (dieses Verhalten solcher Beamten) habe ich dann eine kleine Abhandlung geschrieben. Kurze Zeit danach wurde diese neue Art Gebetsruf eingeführt. Ich habe meine Abhandlung für privat (mahrem) erklärt und ihre Veröffentlichung untersagt. | |||
Ich habe zum Beispiel auch damals, als ich mich noch am Haus der Islamischen Wissenschaften (Daru-l'Hikmeti-l'Islamiye) befand, eine Antwort auf die Kritik (aus Europa) an der Ayah über die Verschleierung (der Frau) geschrieben. Das ist nunmehr ein Jahr her, dass ich die "Siebzehnter Lem'a (Blitz)" genannte Abhandlung aus (der Sammlung) der bereits gedruckten Abhandlungen herausgenommen und diese später "Vierundzwanzigster Lem'a" genannte kurze Tesettür Risalah (= Abhandlung über die Verschleierung der Frau) geheimgehalten habe, um einen Verstoß gegen künftige Gesetze zu vermeiden. Sie ist dann durch irgendein Versehen irgendwohin versandt worden. Zudem ist diese Risalah gegen die Kritik (europäischer) Kultur (medeniyet) an der Ayah aus dem Qur'an eine wissenschaftliche (Arbeit) und eine Antwort, (welche die Kritiker in Europa) verstummen lassen sollte. Diese Freiheit der Wissenschaft darf sicherlich auch in republikanischer Zeit nicht eingeschränkt werden. | |||
'''Fünfter Beweis:''' | |||
''' | Seit 9 Jahren habe ich mich für ein Einsiedlerleben in einem Dorf entschieden. Ich wollte mich aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben zurückziehen. Heute wie damals habe ich alle Schikanen, die ich erlebt und erlitten habe, erduldet, so wie sie über mich gekommen sind. Da ich mit der Politik in dieser Welt nichts mehr zu tun haben wollte, habe ich mich in diesen 10 Jahren nie bei einer Behörde gemeldet. Im Falle einer polizeilichen Anmeldung hätte ich in Istanbul wohnen können statt in Barla. Vielleicht ist der Grund meiner augenblicklichen, hinterhältigen Verhaftung der, dass mir der Gouverneur von Isparta und einige Beamten von der Regierung ob meiner Nichtanmeldung in ihrem Stolze gekränkt und über mich erzürnt sind und nun in ihrem Zorn oder in ihrer Unfähigkeit aus einem Korn eine Kuppel bauen (d.h. aus einer Mücke einen Elefanten machen) und mich beim Inneninisterium verdächtigen. | ||
'''Zusammenfassung:''' | |||
Alle meine Freunde, mit denen ich Umgang pflege, wissen, dass ich mich nicht um Politik kümmere, politisch gar nicht aktiv bin, ja, dass dergleichen meinem Denken widerspricht, meinen Zielen, meiner Geisteshaltung und dem heiligen Dienst am Glauben entgegengesetzt ist und nicht damit vereinbart werden kann. Mir wurde das Licht (Nur) gegeben. Die Keule der Politik ist mir nicht gegeben. | |||
Der Sinn eines solchen Verhaltens und die Weisheit hinter diesen Umständen ist die, dass viele Persönlichkeiten, die sich nach den Glaubenswahrheiten sehnen, jedoch die Beamtenlaufbahn eingeschlagen haben, diese Wahrheiten nicht besorgt und beunruhigt zu betrachten brauchen, nicht von ihnen ausgeschlossen sind. Ich bin deshalb der Überzeugung, dass Gott der Gerechte aus diesem Grund eine so heftige Abneigung gegen alle Politik, ja einen Abscheu gegen sie in mein Herz gesenkt hat. | |||
… | … | ||
Der verstorbene Major Asim Bey wurde vernommen. Würde er die Wahrheit sagen, wäre dies zum Schaden seines Meisters, und würde er lügen, wäre dies eine starke Belastung für die Ehre eines vierzig jährigen Militärdienstes in Anstand und Würden. So dachte er und so betete er: "Oh Herr, nimm meine Seele an!" Und nach 10 Minuten schied sein Geist (ruh) in Ergebenheit. Er wurde das Opfer eines abscheulichen Irrtums derer, die gegenseitige Hilfeleistung, Aufrichtigkeit und Treue, was kein Gesetz der Welt einen Fehler oder irriges Verhalten nennen könnte, für einen Fehler ansehen. | |||
In der Tat trinkt der, welcher die Lehre aus der Risale-i Nur zur Gänze gezogen hat, den Trank des Todes, den er als einen Entlassungsschein verstanden hat, mit jener Leichtigkeit wie man ein Glas Wasser trinkt. Ja, müsste ich nicht an all die Brüder denken, die nach mir voll Schmerz in dieser Welt zurückblieben, auch ich würde gleich meinem hochverehrten Bruder Asim Bey sprechen: "Oh Herr nimm meine Seele!" Doch wie dem nun auch immer sein mag: Ich komme hiermit zum | |||
dritten Punkt der Anklage: | |||
Die Risale-i Nur, welche ohne Erlaubnis der Regierung verbreitet wird und die Gläubigen in ihrer Haltung noch bestärkt, könnte in Zukunft zu einer Bariere für die freiheitlich-demokratischen Grundrechte und so die Allgemeinheit verunsichert werden. | |||
Risale-i | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Die Botschaft vom Licht (Risale-i Nur) ist Licht (Nur). Licht schadet nicht. Die Keule der Politik hat sie seit dreizehn Jahren aus der Hand gelegt. Sie bestärkt die heiligen Wahrheiten, welche der Grundstein für das Leben in unserem Volk und Vaterland sind. Ich kann alle Menschen, die diese Abhandlungen gelesen haben zu Zeugen anführen dafür, dass die Risale-i Nur für 99 Prozent dieses gesegneten Volkes keinen Schaden sondern nur Nutzen gebracht hat. Da soll mir hier nun einmal jemand kommen und mir erklären: "Ich bin durch sie geschädigt worden." | ||
'''Und zweitens:''' | |||
''' | Ich habe keine Druckerei und ich habe auch nicht so viele Schreiber. Es ist so schwierig, einen zu finden. Ich selbst kann nur mit Mühe richtig schreiben. Ich bin ja noch ein halber Analphabet und kann in einer Stunde mit meiner höchst mangelhaften Handschrift kaum eine Seite schreiben. Einige Leute wie der verstobene Asim Bey haben zu meiner Erinnerung mir mit ihrer schönen Handschrift geholfen. Sie haben meine Erinnerungen aus einer sehr betrüblichen Fremde niedergeschrieben. | ||
Danach wollten einige Menschen, die in diesen Lichtern des Glaubens ein vollständiges Heilmittel gegen ihren Schmerz gefunden hatten, sie lesen und haben sie auch gelesen. So haben sie in ihnen jene zweifelsfreie Wahrheit erkannt, die ihnen zum Heilmittel für das Ewige Leben wurde. Sie haben sie für sich abgeschrieben. | |||
Das "Verzeichnis der Abhandlungen (Fihriste Risalesi)", das Sie in die Hand bekommen haben und das Ihnen nun zur Untersuchung vorliegt, zeigt, dass jede Abhandlung der Risale-i Nur den Sinn (haqiqat) einer Ayah kommentiert und besonders die Ayat, die sich auf die Glaubenswahrheiten beziehen, mit einer solchen Klarheit auslegt, dass sie die Angriffspläne, welche die Wissenschaftler Europas seit tausend | |||
Jahren gegen den Qur'an vorbereitet haben, vereitelt und ihnen ihre Basis entzieht. Die "Elfte Hoffnung (Ridja)" aus der "Risala für die Alten (Ihtiyarlar Risalesi)", welche Sie da gerade in der Hand halten, ist nur ein einzelnes Zeugnis unter tausenden von Zeugnissen für den Glauben (iman) und die Einheit Gottes (tauhid). Betrachten Sie sie als ein Muster und geben Sie gut acht, ob meine Lehre richtig ist oder ob sie falsch ist. | |||
Dann werden Sie das verstehen. Des weiteren bin ich der Überzeugung, dass jeder, der die Dinge nüchtern betrachtet, zugeben wird, wie sehr die "Abhandlung über die Sparsamkeit (Iktisad Risalesi)", die Krankenrisala mit ihren fünfundzwanzig aus dem Glauben gewonnenen Heilmitteln, die Risala für die Alten mit ihren aus dem Glauben gewonnenen dreizehn Hoffnungen und Tröstungen, welche als Beispiele für die Abhandlungen aus der Risale-i Nur dienen sollen, für Volk und Vaterland zu Nutz und Frommen dienen, welch äußerst wertvoller Reichtum an Schätzen, welch ein Balsam und was für ein Licht sie für die Armen, die Kranken, die Alten bilden, welche doch mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. | |||
Um Ihnen bei Ihren Ermittlungen die Aufgabe zu erleichtern, will ich Ihnen noch sagen, dass die Liste der Abhandlungen nur einen Teil der Abhandlungen aus zwanzig Jahren enthält. Ein Teil der darin aufgezählten Abhandlungen stammt original noch (aus meiner Zeit) am Daru-l'hikmet. Die Numerierung (der Abhandlungen) in dem Verzeichnis gibt nicht chronologisch deren Abfassung wieder. So ist z.B. das "Zweiundzwanzigste Wort" vor dem "Ersten Wort" abgefasst worden und der "Zweiundzwanzigste Brief" wurde noch vor dem "Ersten Brief" geschrieben. Dergleichen ist häufig geschehen... | |||
'''Zum Dritten:''' | |||
''' | Die Teile der Risale-i Nur, welche ja reine Theologie (= Wissenschaft vom Glauben) sind, sichern und begründen die Ruhe und Ordnung. In der Tat untergräbt der Glaube, welcher Wurzel und Quelle eines edlen Charakters und einer vornehmen Haltung ist, sicherlich nicht die Ordnung, sondern festigt sie. Es ist die Glaubenslosigkeit, die durch eine Charakterlosigkeit die Sicherheit zerstört. | ||
Und außerdem müssen Sie auch noch wissen, dass ich vor zwanzig, dreißig Jahren einmal in einer Zeitung gelesen habe, dass der Englische Kolonialminister gesagt haben soll: "Solange sich dieser Qur'an noch in Händen der Muslime befindet, können wir diese wahrhaftig auch nicht beherrschen... Wir müssen uns also darum bemühen, ihn abzuschaffen oder anrüchig zu machen." Dementsprechend hat dieses Wort eines verbohrten (muannid) Ungläubigen (kafir) seit dreißig Jahren meine Blicke auf die Wissenschaftler Europas gelenkt und mich dazu veranlasst, nebst meiner eigenen Seele (nefs) besonders diese zu überwinden. Ich kann mich also nicht besonders um die inländischen Angelegenheiten bekümmern und die Mangelerscheinungen in unserem Lande, sondern vielmehr um die aus Europa importierten Fehler, die ich das Verderben (ifsad) nenne. Diese Wissenschaftler haben in mir den Zorn erweckt und ich habe sie angegriffen.Doch wie die Risale-i Nur den Traum dieser hartgesottenen Ungläubigen (muannid kafirin) zerbrochen hat, so hat sie auch - und Dank sei Gott (felillahilhamd)! - die Vertreter einer materialistischen Philosophie und der positiven Wissenschaften durch die Autorität, die sie erlangt hat, zum Schweigen gebracht. | |||
Es gibt auf der ganzen Welt keine wie auch immer geartete Regierung, die ihrem eigenen Lande solche derart gesegneten Früchte und eine solche unversiegbare Quelle geistiger Kraft untersagen und deren Sachwalter (= den Herausgeber der Risale-i Nur) verurteilen (und einkerkern) dürfte. Die Freiheit der Mönche in Europa zeigt, dass kein Gesetz diejenigen stören kann, welche die Welt aufgegeben haben und sich nach ihren eigenen Vorstellungen um Jenseits und Glauben bemühen. | |||
'''Zusammenfassung:''' | |||
''' | Ich bin sicher, dass kein Gesetz der Welt einem alten Mann, der seit zehn Jahren ohne Begründung zur Verbannung verurteilt in der Fremde lebt, dessen Kontakte zur Außenwelt abgeschnitten und dem der | ||
Briefverkehr untersagt ist, verbieten kann oder verbieten wird, ein Werk über den Glauben, welcher der Schlüssel zur Ewigkeit ist, niederzuschreiben. Bis jetzt ist dieses Werk noch niemals von wissenschaftlicher Seite kritisiert worden, was beweist, dass es mit Sicherheit sowohl rechtens ist, als auch nur die reine Wahrheit zum Inhalt hat. | |||
Nun, wessen ich angeklagt bin und den Grund meiner Verhaftung aufzeigend, hier der '''Vierte Punkt''': | |||
Man hat mich angezeigt, weil ich Ordensleute unterrichtet haben soll (tariqat dersi), was von Staatswegen verboten ist. | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | |||
Erstens sind alle die Schriften, die sich in Ihren Händen befinden, ein Zeugnis dafür, dass ich mich nur mit Glaubenswahrheiten beschäftige. Überdies habe ich in verschiedenen Abhandlungen geschrieben und öffentlich erklärt: "Diese Zeit ist keine Zeit der Orden (tariqat), sondern eine Zeit, den Glauben zu retten. Es gibt sehr viele, die ins Paradies eingehen, ohne Ordensleute zu sein; doch gibt es niemanden, der ohne den Glauben ins Paradies eingehen wird. Darum ist diese Zeit eine Zeit, sich um den Glauben zu bemühen." | |||
'''Zweitens:''' | |||
''' | Seit zehn Jahren befinde ich mich im Vilayat Isparta. Da soll nun einer gegen mich aufstehen und sagen: "Er unterrichtet Ordensleute." Natürlich bin ich Hodja. Angesichts dieser Tatsache habe ich auch einigen Glaubensbrüdern Unterricht über die Erhabenheit des Glaubens und die Tiefe der Wahrheit erteilt. Es war dies keine Einweihung in mystische Praktiken, sondern eine Einführung in die Lehre der Wahrheit. | ||
Dazu möchte ich noch Folgendes sagen: Ich bin Shafi (= eine Schule isl. Rechts). Unser Tesbihat (Rezitation) nach dem Namaz (Pflichtgebet) unterscheidet sich etwas von dem Tesbihat der Hanefi (= eine andere Rechtsschule). Zudem empfange ich vom Abendgebet bis zum Nachtgebet niemanden, auch nicht vor dem Morgengebet und bete statt dessen um die Vergebung meiner eigenen Sünden, rezitiere Ayat und beschäftige mich auch noch mit dergleichen anderen Dingen. Ich denke doch, dass kein Gesetz der Welt dieses Verhalten für verboten erklären kann. | |||
Im Bezug auf diese Ordensangelegenheiten wird mir nun von Seiten der Beamten der Regierung und des Gerichts die Frage gestellt: | |||
Wovon lebst du? | |||
Meine Antwort: | |||
Seit 9 Jahren, die ich nun meinen Wohnsitz in Barla habe, sind die Bewohner (dieses Dorfes) Zeugen, dass ich durch den Segen (berekat) einer strengen Sparsamkeit (shiddet-i iktisad) und aus der Schatzkammer einer völligen Genügsamkeit (kanaat) die meisten meiner Tage mit hundert Para täglich, ja manchmal mit einem noch geringeren Aufwand leben kann. Meine Freunde, die mit mir die Verbindung aufrecht erhalten, wissen das. Während 7 Jahren habe ich für Kleider, Schuhe und andere Dinge mehr, 7 Lira in Noten ausgegeben. | |||
Des Weiteren ist mein Lebenslauf (Tarihdje-i hayat = diese Biographie), so wie Sie Ihn in Ihren Händen haben Zeuge dafür, dass ich in meinem ganzen Leben niemals Geschenke oder Almosen von Leuten angenommen habe. Ja ich habe sogar Geschenke von meinen engsten Freunden zurückgewiesen und sie dadurch gekränkt. War ich doch einmal dazu gezwungen, ein Geschenk anzunehmen, so tat ich es nur unter der Voraussetzung einer entsprechenden Gegenleistung. | |||
Freunde, die mir hilfreich sind, wissen das. Den größten Teil meines Gehaltes, das ich an der Daru-l-Hikmetil-Islamiye empfangen habe, habe ich für den Druck von Büchern ausgegeben, die ich damals geschrieben habe. Nur einen kleinen Teil davon habe ich mir für die Haddj (= die Pilgerfahrt nach Mekka) gespart. Auf diese Weise bin ich mit dem wenigen Geld durch den Segen der Sparsamkeit und Genügsamkeit 10 Jahre lang ausgekommen und hatte es niemals nötig, betteln zu gehen. Ich habe noch immer etwas von dem gesegneten Geld übrig. | |||
Hohes Gericht! Sie sollten nicht durch die Anhörung meiner langen Erläuterungen Überdruss bekommen, denn schon in der Anklageschrift zu meiner Verhaftung sind bereits zwanzig, dreißig Bände aufgeführt. Im Vergleich zu solch einer langen Anklageschrift fällt eine lange Verteidigungsrede gewiss kurz aus. Ich habe mich seit dreizehn Jahren nicht mehr mit Politik beschäftigt und kenne daher die Gesetze nicht. Außerdem ist mein Lebenslauf ein Zeugnis dafür, dass ich mich nicht dazu herabwürdigen werde, Ihnen zum Zwecke meiner eigenen Verteidigung etwas vorzutäuschen. Ich habe Ihnen die Umstände so dargelegt, wie sie sind. Sie haben selbst ein Gewissen und Sie wissen auch, wie man die Gesetze unvoreingenommen anwendet. Sprechen Sie also Ihr Urteil! | |||
Sie wissen überdies, dass einige unfähige Beamte in ihrer Unfähigkeit, oder aufgrund von Verdächtigungen, oder nach der Art von der Ziege und dem Wolf, oder um sich bei der Regierung Liebkind zu machen, oder um ihres Ehrgeizes und ihrer Karriere willen, um ihren Intrigen den Boden zu bereiten und neue Willkürgesetze zur Anwendung zu bringen, mich wie durch ein Fernrohr beobachten, das ihnen dann für ein Korn eine Kuppel zeigt. | |||
Was wir von Ihnen erhoffen ist Folgendes:Setzen Sie Ihre Macht dafür ein, zu zeigen, dass Ihre eingebildete Kuppel ein Sandkorn ist; d.h. drehen Sie Ihr Fernrohr um und schauen Sie dann hinein... Und noch eine Bitte habe ich an Sie: Die von Ihnen beschlagnahmten Bücher haben für mich einen Wert von mehr als tausend Lira. Geben Sie mir sie wieder! Der Direktor der Bibliothek von Ankara hat vor zwölf Jahren einen bedeutenden Teil von ihnen mit Lob und Dank in Empfang genommen. Es war eine Ehre für ihn gewesen und er hatte das auch in der Zeitung allgemein bekannt gemacht. | |||
Mit der Erlaubnis von Ihnen, die Sie jetzt über mein Leben zu Gericht sitzen, möchte ich dem Staatsanwalt eine Kopie meiner Verteidigungsrede überreichen. Ich möchte gegen diejenigen, welche mir diesen Schaden zugefügt haben, einen Prozess anstrengen. Außerdem möchte ich eine Kopie dem Innenminister und eine weitere dem Parlament vorlegen. | |||
'''Erste Ergänzung zu meiner obigen Verteidigungsrede''' | |||
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Für den Vernehmungsrichter und den ganzen Hohen Gerichtshof zur gefälligen Beachtung. | |||
Ich möchte dieser meiner vorstehenden Verteidigungsrede noch drei Punkte anfügen. | |||
'''Erster Punkt:''' | |||
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Was uns so sehr in Erstaunen versetzt und ganz besonders verwundert, ist die Art, der im Hinterhalt lauernden, unter Parteinahme aus dem Nichts gegriffenen Gründe zur Anschuldigung, dieses Insistieren z.B. auf der Frage, ob es eine Vereinigung oder Organisation gibt. "Woher nehmen Sie das Geld, eine Organisation zu begründen?" fragen sie. | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
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Ich möchte zuerst diejenigen, die mir diese Frage gestellt haben, fragen: Welche Dokumente, welche Hinweise darauf, dass eine solche politische Vereinigung unsererseits überhaupt existiert, gibt es denn und welche Beweismittel, welche Unterlagen haben Sie dafür gefunden, dass wir eine solche Organisation finanzierten, wenn Sie schon derart auf Ihrer Frage insistieren? | |||
Seit zehn Jahren lebe ich im Vilayat Isparta unter scharfer polizeilicher Überwachung. Wenn nun von einem Mann, der außer seinen beiden Dienern in zehn Tagen vielleicht einmal ein, zwei Wanderer zu sehen bekommt, einem Mann, der als ein Fremdling, um den sich niemand kümmert, welcher der Welt überdrüssig geworden und dem die Politik ganz und gar zum Ekel und zu einem Brechmittel geworden ist, einem Mann, der es immer wieder erlebt und erfahren hat, wie empfindlich starke, politisch-revolutionäre Organisationen von einem Gegenschlag getroffen worden sind und keinen Erfolg gehabt haben, einem Mann, der unter Tausenden von Freunden in seinem eigenen Volk die beste Gelegenheit dazu gehabt hätte, politische Vereinigungen und Strömungen zurückgewiesen und sich nicht in ihnen beteiligt hat, einem Mann, der begriffen hat, dass es das größte Verbrechen wäre, seinen Dienst am wahren Glauben, dessen außerordentliche Heiligkeit durch nichts in der Welt beschädigt werden darf, jemals zunichte werden und durch politischen Eigennutz in Misskredit geraten lassen, einem Mann, der es sich seit zehn Jahren zum Grundsatz gemacht hat, vor der Politik zu fliehen, wie man vor dem Teufel flieht und zu beten: | |||
اَعُوذُ بِاللّٰهِ مِنَ الشَّيْطَانِ وَ السِّيَاسَةِ {"Ich nehme meine Zuflucht zu Gott vor dem Teufel und vor der Politik!"}, | |||
einem Mann, der den größten Betrug im Untrüglichen gefunden, einem Mann, der kühn und furchtlos seine Geheimnisse offen legt, einem Mann, hinter dem in zehn Jahren all die Beamten des ganzen, großen Vilayats Isparta mit ihrer doch sonst so empfindlichen Schnüffelnase niemals eine derartige Organisation zu entdecken vermochten, wenn nun von einem solchen Mann behauptet wird: "Es gibt eine solche Organisation und (dieser Mann ist es, der) die Schöpfräder seiner politischen Intrigen laufen lässt", dann muss nicht nur ich, dann muss das ganze Vilayat Isparta mit all denen, die mich kennen, ja, dann müssen alle Leute von Verstand und Gewissen eine solche Verleumdung mit Abscheu zurückweisen und sagen: "Man hat hinterhältiger Weise Ränke gegen ihn geschmiedet, um ihn zu verdächtigen." | |||
'''Zweitens:''' | |||
''' | Unsere Sache ist der Glaube. Durch die Bruderschaft im Glauben haben wir uns in diesem Lande und in Isparta mit 99 Prozent der Menschen verbrüdert. Ginge es dabei jedoch um eine Vereinigung, so wäre dies der Bund einer Minderheit innerhalb einer Mehrheit. Man kann aber nicht wegen eines einzelnen Menschen eine Vereinigung von 99 Menschen ins Leben rufen. Nur ein gottloser Mensch ohne jede Einsicht, aber in der Einbildung, jeder wäre - Gott bewahre! - genau so gottlos wie er, kann so etwas verbreiten, um dieses gesegnete, gläubige Volk auf diese Weise zu beleidigen... | ||
'''Drittens:''' | |||
''' | Wenn ein Mann, der das türkische Volk mit einer so tiefen Zuneigung liebt wie ich; der die türkische Nation, weil in ihr der Ruhm des Qur'an aufstrahlte, ganz besonders hoch schätzt; der sich so nachdrücklich auf die Seite dieses Volkes gestellt hat, das seit 600 Jahren der ganzen Welt Widerstand geleistet und das Banner des Qur'an hoch gehalten hat; der unter dem Zeugnis von 1000 Türken der türkischen Nation tatkräftig einen größeren Dienst erwiesen hat als 1000 nationalistische Türkenbündler; der 30, 40 hochachtbare junge Türken vor 30.000 Landsleuten bevorzugt, die das Gebet nicht verrichten; der das Leben in dieser Fremde gewählt hat; der in seiner Eigenschaft als Hodja auch die Würde der Wissenschaft aufrecht erhalten hat; der die Glaubenswahrheiten in klarer, allgemeinverständlicher Form weitergeben kann... in 10 oder vielleicht 20, 30 Jahren nicht dreißig, sondern vielleicht hundert, ja vielleicht Tausende von opferbereiten Schülern allein im Hinblick auf den Glauben, die Wahrheit und das Jenseits an sich bindet und sie seine Brüder im Glauben werden, ist das dann viel oder gar ein Fehler? Können denn Leute von Gewissen und Einsicht eine solche Kritik überhaupt zulassen? Darf man (einen solchen Vorgang als Bildung) einer politischen Vereinigung betrachten? | ||
'''Viertens:''' | |||
''' | Wenn man einen Mann, der mit hundert Lira in Noten zehn Jahre auskommt und am Tag manchmal nicht mehr als vierzig Para benötigt und seit sieben Jahren einen mit siebzig Flicken besetzten Überwurf (abayi) trägt, fragt: "Woher bekommst du das Geld, von dem du lebst und baust du damit eine Organisation auf?", so kann jedermann, der über Einsicht verfügt, begreifen, wie weit entfernt von jeglicher Einsicht dergleichen Gedanken sind. | ||
'''Zweiter Punkt:''' | |||
''' | |||
Sie haben in einer verlogenen Nachahmung der Geschehnisse von Menemen die Leute in Schrecken versetzt und die Regierung darüber hinweggetäuscht, dass sie mit ihren hinterlistigen Plänen nur die Durchführung ihrer Willkürgesetze erleichtern wollten, so, als wäre es eine Intrige, mit der "er der Regierung dazu verhelfen wolle, Willkürgesetze anzunehmen" und auf diese Weise erreicht, dass ich von Barla nach Isparta deportiert wurde. Als sie aber einsehen mussten, dass ich für ihre aufrührerischen (Pläne) nicht als Werkzeug zu gebrauchen war und ich keine Neigung zu derartigen fruchtlosen Versuchen, Volk, Vaterland und Glauben zu schädigen, verspürte, änderten sie sogleich ihre Pläne. Sie haben meinen (ohnehin schon) trügerischen Ruhm gegen meinen Willen dazu ausgenutzt, mir eine nur in ihrer Einbildung vorhandene Wiederholung jener gewaltsamen Ereignisse von Menemen überzustülpen, Intrigen, an die ich nie gedacht habe und die mir nicht im Traum eingefallen wären. Sie haben sowohl der Nation als auch der Regierung als auch vielen einzelnen, unschuldig, verhafteten aus dem Volk einen großen Schaden zugefügt. Jetzt, wo ihre Lügen ans Licht kommen, haben sie, so wie in der Fabel von der Ziege und dem Wolf, der eine passende Ausrede fand, auch selber Ausflüchte gefunden und möchten nun gerne die Justizbeamten in Verwirrung bringen. | |||
Ich möchte die Herren Rechtsanwälte darauf aufmerksam machen, dass sie in dieser Angelegenheit im Hinblick auf das Recht auf nationale Verteidigung einer großen Aufmerksamkeit und Umsicht bedürfen. Wer hier eigentlich unter Anklage zu stellen wäre, sind diejenigen, welche sich bei gewissen Beamten in der Regierung einschmeicheln wollen, indem sie falsche Tatsachen vortäuschen und unter dem Vorwand einer angeblich vorhandenen Organisation einige armselige, unschuldige, leichtgläubige in Aufregung versetzen, welch geringfügigen Anlass danach der Teufel einem Sandkorn gleich als eine Kuppel darstellt, wodurch die Regierung in die Irre geführt wird. Nun werden viele Unschuldige an die Wand gedrückt und der Regierung ein großer Schaden zugefügt, wofür sie dann die Schuld daran wieder den anderen aufladen. Und auch in unserem Falle ist man auf gleiche Weise verfahren. | |||
'''Dritter Punkt:''' | |||
''' | |||
Unter den Ämtern der Regierung ist dasjenige, welches dafür verantwortlich ist, vor allen anderen Dingen darauf zu achten, die Freiheit zu erhalten und alle Dinge frei von äußeren Einflüssen, also auf gar keinen Fall einseitig und emotional zu betrachten, sicherlich der Gerichtshof. Ich stütze mich auf die absolute Freiheit des Gerichtshofes und nehme mir in dieser Freiheit das Recht, mein Recht auf meine Freiheit entsprechend zu verteidigen. | |||
Es gibt in der Tat überall in der Justitz diese Probleme von Leben und Eigentum. Wenn ein Richter in seiner persönlichen Erbitterung einen Mörder hinrichten lässt, so wird dieser Richter zum Mörder. Das heißt also, dass Rechtsanwälte, so sie sich nicht ganz und gar frei und unabhängig von persönlichen Gefühlen und äußeren Eindrücken halten, in die Lage kommen könnten, dass sie zwar äußerlich Recht sprechen, dabei aber (in Wirklichkeit) schuldig werden. | |||
So haben also auch die Mörder, die Asozialen und die Oppositionellen ein Recht. Auf der Suche nach ihrem Recht verlangen sie nach einer ganz und gar unparteiischen Instanz. Was vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus betrachtet den Gedanken an Parteilichkeit aufkommen lässt, was die Gerechtigkeit von ihrer Substanz her ins Gegenteil verkehrt, ist ein Ausdruck, der meine Person betreffend gebraucht wird. Ich werde nämlich bei manchen Verhören in Isparta und auch hier, obwohl ich doch Said Nursi (= aus Nurs) heiße, immer wieder Said Kürdi (= der Kurde) tituliert und somit als ein Kurde angesprochen. Sie wollen dadurch meine Glaubensbrüder bei ihrem Nationalstolz packen und damit ungute Empfindungen gegen mich wecken, dem Wesen der Gerechtigkeit ganz und gar entgegen- und zuwiderlaufende Richtung geben. | |||
Es gibt in der Tat Tausende geschichtlicher Ereignisse, (die belegen,) dass es die erste Bedingung der Gerechtigkeit ist, und so eine der Justiz und dass Richter und Gericht von jeglichen Makel der Parteilichkeit unbefleckt die Dinge völlig neutral betrachten. Hazret-i Ali, mit dem Gott zufrieden sein möge, hat zur Zeit der Kalifen mit einem Juden zusammen auf der Anklagebank gesessen und viele Könige mussten zusammen mit ganz einfachen Männern vor Gericht erscheinen. Dergleichen gibt es noch viele Berichte in der Geschichte. Darum sage ich denjenigen Leuten, die mir das Gefühl geben wollen, hier ein Fremder zu sein und Justitias Blick gerne (nazar-i adalet = den Blick der Gerechtigkeit) trüben möchten: | |||
Meine Herren! Meine Heimat ist zu aller erst der Islam (= Müslüman) und in Kurdistan bin ich zur Welt gekommen. Doch den Türken habe ich gedient und zu 99 Prozent kam mein Dienst den Türken zugute. Den größten Teil meines Lebens habe ich mit Türken verbracht und meine treuesten und aufrichtigsten Freunde waren Türken. Türken waren die tapfersten im Heer der Islamiyet. Darum ist es vom Standpunkt des Qur'an aus betrachtet meine Berufung (meslek), die türkische Nation mehr als jede andere zu lieben und für sie Partei zu ergreifen, ist ein Erfordernis heiligen Dienstes. Dem türkischen Volke habe ich gedient wie tausend Mann von denen, die mich selbst einen Kurden nennen und sich selbst als Nationalisten gebärden. Dafür kann ich tausend wahrhaft tapfere junge türkische Männer als Zeugen anführen. | |||
Außerdem führe ich dreißig, vierzig von meinen Büchern, die sich in den Händen des hohen Gerichtes befinden, besonders die Abhandlung über die Sparsamkeit, die Alten- und die Kranken Risala als Zeugnisse dafür an, Bücher, die den Leidenden, Armen und Kranken, den Frommen und Gottesfürchtigen, welche vier fünftel des türkischen Volkes bilden, gedient haben wie tausend Türkenbündler und die sich nicht in den Händen der Kurden, sondern in den Händen der türkischen Jugend befinden. | |||
Mit Erlaubnis des hohen Gerichtshofes möchte ich all den gottlosen Bösewichtern, die uns in dieses Unglück gebracht haben, die so manchen maßgeblichen hohen Regierungsbeamten getäuscht und hinter dem Vorhang des Nationalismus ihre Intrigen gesponnen haben, sagen: | |||
Meine Herren! Wenn in diesem Punkte der Anklage nichts was mich betrifft festgestellt wurde, und wenn etwas festgestellt worden wäre, es doch keine Schuld darstellt, und selbst wenn es eine Schuld gewesen wäre, ich doch alleine dafür verantwortlich wäre, ist es dann etwa ein Vaterländisches Werk, deswegen mehr als vierzig der besten türkischen jungen Männer und ehrenwerten alten mit in dieses Unglück hineinzureißen, als hätten sie ein großes Verbrechen begangen? Es gibt in der Tat unter denen, die grundlos in all die Schwierigkeiten einer solchen Verhaftung hineingeraten sind, einige Persönlichkeiten, die der türkischen Jugend einmal Quelle ihres Stolzes sein werden. Ich habe ihren Wert von weitem verspürt, konnte ihnen aber nur einen Gruß oder ein Buch über den Glauben zusenden. Ist es etwa eine nationale Tat, sie wie Verbrecher zu ergreifen und weg von Haus und Hof hierher in dieses Elend zu stürzen?(*<ref>*{Diese Menschen wurden nach einer zwei Monate andauernden schweren Haft wieder entlassen, nachdem das Verfahren gegen sie eingestellt worden war.}</ref>) | |||
Denn von mir sage ich, dass ich in ihren Augen einem fremden Volksstamm angehöre. Doch unter den hier Inhaftierten gibt es derartige tapfere und ehrenwerte junge und alte Türken, dass ich gegen einen von ihnen nicht hundert aus meinem eigenen Volk eintauschen möchte. Unter ihnen gibt es solche, deretwegen ich es seit fünf Jahren aufgegeben habe, diese Beamten zu verfluchen, die mich zehn Jahre lang ungerecht behandelt haben. Und unter ihnen gibt es solche, die ich als hochherzige türkische Freunde mit vollkommener Bewunderung und Hochachtung als die reinsten Beispiele eines großen Charakters betrachten konnte. Durch sie habe ich die bevorzugte Stellung des türkischen Volkes verstanden. | |||
Ich schwöre bei meinem Gewissen und bei so vielen Beispielen und Hinweisen: hätte ich so viele Leiber, wie es Menschen gibt, die man unschuldig eingekerkert hat, oder könnte ich alle die Schwierigkeiten und Probleme auf mich nehmen, welche über die anderen gekommen sind: ich schwöre: mit Stolz möchte ich all dies an Stelle dieser wertvollen Persönlichkeiten auf mich nehmen. Es ist der Wert ihrer Persönlichkeiten, der mich so für sie empfinden lässt und nicht etwa ein persönlicher Vorteil, den ich durch sie erfahren hätte. Denn einen Teil von ihnen habe ich erst kürzlich kennen gelernt. Ein anderer Teil hat vielleicht durch mich Vorteile gehabt, während sie mir aber geschadet haben. Hätten sie mir aber auch tausendfach geschadet, so hätte das doch ihren Wert in meinen Augen nicht herabgemindert. | |||
Wohlan denn, oh ihr gottlosen Bösewichter, die ihr uns eure türkenbündlerische Ideologie verkündigt! Diejenigen, die einmal dem türkischen Volke die Quelle ihres Stolzes sein werden, mit derartigen primitiven und bedeutungslosen Vorwänden, dass ich nämlich "nur ein Kurde" sei, wie Sie das auszudrücken belieben, schmähen und verwirren zu wollen, heißt das national denken? heißt das, türkisch denken? heißt das, vaterländisch denken? Auf Ihr! Ich lege (diese Frage) Eurer fanatischen Gesinnung vor. | |||
So hat denn das Gericht nach Recht und Gerechtigkeit viele wieder frei gelassen, nachdem es deren Unschuld erkannt hatte. Denn hätte hier eine Schuld vorgelegen, so wäre dies meine Schuld gewesen. Sie aber hatten mir, um ihrem alten Lehrer in der Fremde einen Dienst zu erwiesen, in ihrer Großherzigkeit und in ihrem Edelmut den Ofen angeheizt, Wasser geholt, Essen gekocht und mir meine persönlichen Abhandlungen abgeschrieben; das alles um Gottes willen (Lillâh). Sie haben auf meine Bitte hin auch unter die beiden Abhandlungen, welche mir als Tagebuch dienten, ihre Unterschrift gesetzt - zu meiner Erinnerung. Ja, gibt es denn in dieser Welt wohl noch ein Gesetz oder ein Prinzip, oder hat es vielleicht einen Sinn, wenn gegen solche Leute auf diese Weise unter irgendeinem Vorwand eine Verwarnung ausgesprochen wird? | |||
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1.033. satır: | 914. satır: | ||
</div> | </div> | ||
'''Said Nursî''' | '''Said Nursî''' | ||
<nowiki>*</nowiki> * * | <nowiki>*</nowiki> * * | ||
< | <span id="On_Altıncı_Mektup"></span> | ||
== | ==Sechzehnter Brief== | ||
اَلَّذِينَ قاَلَ لَهُمُ النَّاسُ اِنَّ النَّاسَ قَدْ جَمَعُوا لَكُمْ فَاخْشَوْهُمْ فَزَادَهُمْ اِيمَانًا وَقاَلوُا حَسْبُنَا اللّٰهُ وَ نِعْمَ الْوَكِيلُ {"Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen." "Man sagte zu ihnen, dass die Menschen sich grade gegen die Menschen gesammelt haben. Fürchtet euch vor ihnen. Doch das bestärkte sie im Glauben und sie sagten: "Es genügt uns Allah und Er ist unser bester Anwalt (Vekil)."" (Sure 3, 173)} | |||
Dieser Brief verdeutlicht den Sinn der Ayah (Sure 20, 44): فَقُولاَ لَهُ قَوْلاً لَيِّنًا {"Sprich mit sanften Worten zu ihm!"} | |||
und ist deshalb nicht in scharfe (shiddetli) Worte gesetzt. | |||
Er ist die Antwort auf eine Frage, die in wörtlichem oder übertragenem Sinne (manen) von vielen gestellt wurde. | |||
Es ist mir keineswegs angenehm, diese Antwort zu geben und eigentlich wollte ich es gar nicht. Ich hatte mein ganzes Vertrauen (tevekkul) in Gott den Gerechten gesetzt. Weil man mich aber nicht mir selbst und in meiner Welt in Frieden leben lassen, vielmehr mir das Gesicht zur Welt (dunya) hin drehen wollte, will ich hier nun in "Fünf Punkten" eine Erklärung abgeben; nicht jedoch als der Neue Said, sondern erzwungenermaßen in der Sprache des Alten Said; und das nicht um meinetwillen, sondern um meine Freunde wie auch meine Worte (Sözler) vor den Weltleuten mit ihren Verdächtigungen und Nachstellungen zu retten und den wirklichen Sachverhalt sowohl meinen Freunden als auch den Leuten von Welt und den Leuten von Urteil Klarheit zu verschaffen. | |||
'''Erster Punkt:''' | |||
''' | |||
Es wurde gesagt: Warum hast du dich aus der Politik zurückgezogen? Warum zeigst du dich so wenig entgegenkommend? | |||
'''Antwort:''' | |||
''' | Vor neun oder zehn Jahren hatte sich der Alte Said einmal ein wenig mit Politik befasst. Doch der Dienst, den er dem Glauben und der Wissenschaft mit der Politik hatte erweisen wollen, erwies sich als eine vergebliche Mühe und so musste er einsehen, dass dieser Weg zweifelhaft und schwierig und für ihn ein unnötiger Weg ist, dass er für seine wichtigsten Aufgaben ein Hindernis und ein gefährlicher Weg ist. Das meiste (an der Politik) ist Lüge und es besteht die Möglichkeit, dass man, ohne es zu bemerken, zum Werkzeug in der Hand des (nichtislamischen) Auslands wird. | ||
Zudem wird, wer sich mit der Politik beschäftigt, entweder für sie oder gegen sie sein. Wollte ich für sie sein, wäre, da ich ja kein Beamter oder Abgeordneter bin, die Beschäftigung mit der Politik eine nutz- und zwecklose Sache. Man benötigt mich nicht, sodass ich mich vergeblich mit ihr beschäftige. Wollte ich aber in den Reihen der Opposition Politik machen, müsste ich dies entweder in Gedanken tun, oder aber die Macht dazu haben. Täte ich es in Gedanken, so wäre ich dazu nicht vonnöten. Denn die Problematik ist allgemein bekannt. Jeder kennt sie so gut wie ich. Zweckloses Gerede aber ist zugleich auch sinnlos. Wollte ich aber mit Macht Widerstand leisten und den Lauf der Dinge herausfordern, dann bestünde die Möglichkeit, Tausende von Sünden zu begehen, um eines Zweckes willen, dessen Erreichung unsicher ist. So würden um eines Einzelnen willen viele ins Unglück gestürzt. Weil aber das Gewissen (vidjdan) sich weigert, wegen ein, zwei Möglichkeiten unter zehn Möglichkeiten eine Sünde zu begehen und Unschuldige mit in eine Sünde hineinzureißen, hat es der Alte Said aufgegeben, zu rauchen, Zeitungen zu lesen, Politik zu betreiben, oder auch nur bei privaten Zusammenkünften über derartige weltliche Dinge wie die Politik zu reden. | |||
Ein sicheres Zeugnis dafür ist, dass ich seit acht Jahren keine einzige Zeitung mehr gelesen habe oder mir hätte vorlesen lassen. Hätte mich jemals wieder irgendeiner eine Zeitung lesen sehen, oder gehört, wie mir jemand daraus berichtete, so möge er hierher kommen und es sagen. Dagegen hatte der Alte Said vor acht Jahren noch täglich vielleicht acht Zeitungen gelesen. | |||
Außerdem wird meine ganze Lebens- und Verhaltensweise seit fünf Jahren mit großer Aufmerksamkeit unter die Lupe genommen... Wer bei mir jemals bemerkt haben sollte, ich hätte etwas anklingen lassen, was nach Politik schmeckt, der möge es sagen! Denn der Gedanke eines Menschen, der so hochempfindlich ist wie ich, der nach dem Motto: اِنَّمَا الْحِيلَةُ فِى تَرْكِ الْحِيَلِ {"Der größte Betrug liegt in der Aufgabe des Betruges."} einsam, furchtlos und alleine lebt, kann nicht acht Jahre lang, ja noch nicht einmal acht Tage verborgen bleiben. Hätte er die Lust verspürt, den Wunsch gehabt, Politik zu treiben, hätte das einen Donnerschlag gleich einem Kanonenschuss ausgelöst, ohne dass es dabei noch irgendwelche Nachforschungen oder Untersuchungen gegeben hätte. | |||
'''Zweiter Punkt:''' | |||
''' | |||
Warum hält sich der Neue Said so streng von jeglicher Politik zurück? | |||
'''Antwort:'''Er möchte sich um ein Ewiges Leben, das mehr als eine Milliarde Jahre währt, bemühen und es sich verdienen und es nicht für ein irdisches Leben von ein, zwei Jahren dahingeben, das sinn- und zwecklos mit einer Einmischung (in die Politik) verbunden ist. Deshalb flieht er für den Dienst am Glauben und am Qur'an, der der wichtigste, notwendigste, reinste und wahrhaftigste Dienst ist, so unbeirrbar vor der Politik. | |||
''' | |||
Denn er sagt: Ich werde alt. Ich weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Weil dies nun so ist, ist die wichtigste Aufgabe für mich, mich um ein Ewiges Leben zu bemühen. Das Ewige Leben zu verdienen ist das allererste Mittel und der Schlüssel zur Ewigen Glückseligkeit ist der Glaube. Es ist notwendig, dass ich mich um ihn bemühe. | |||
Um mich aber auch den anderen Menschen als Wissenschaftler nützlich zu erweisen, möchte ich meinen Dienst versehen als einer der dem (islamischen) Gesetz verpflichtet ist. Natürlich (lâkin) könnte ich diesen Dienst auch im gesellschaftlichen und sozialen Leben tun. Doch bin ich dazu nicht befähigt. Doch in stürmischer Zeit ist ein unverfälschter Dienst nicht gewährleistet. Deshalb habe ich diesen Gedanken wieder fallen gelassen und gebe nur dem Gedanken an einen Dienst im Glauben, der der wichtigste, notwendigste und reinste Dienst ist, den Vorzug. Mögen diese Glaubenswahrheiten, die ich mir selbst erworben habe und diese geistigen Heilmittel, welche ich selbst ausprobiert habe, auch noch anderen Menschen zugänglich sein! Für sie lasse ich das Tor offen. Vielleicht nimmt Gott der Gerechte diesen Dienst an und macht mir daraus eine Buße für meine Sünden. | |||
Es hat niemand, der gesteinigte Satan ausgenommen, das Recht, sei er nun ein Gläubiger oder ein Leugner, einer von den Getreuen oder einer von den Gottlosen, das Recht, gegen einen solchen Dienst etwas zu unternehmen. Doch Glaubenslosigkeit (imansizlik) ist eine Sache, die sich nicht mit anderen Sachen vergleichen lässt. In Sachen Ungerechtigkeit (dhulum), leichter Verfehlungen (fisq) oder schwerer Sünde (kebair) findet sich ein wenn auch abscheulich, teuflicher Wohlgeschmack (lezzet-i sheytaniye). Doch in der Glaubenslosigkeit (imansizlik) findet sich in gar keiner Weise irgendein Wohlgeschmack. Sie ist Schmerz über Schmerz. Sie ist Finsternis über Finsternis. Sie ist Qual über Qual. | |||
Einen solch lichtvollen Dienst aufzugeben, wie es der Glaube ist und das Bemühen um ein unendliches und ewiges Leben, sich im Alter auf nutzlose und gefährliche Spielereien zu werfen, was das für einen Menschen wie mich, der einsam und zurückgezogen für seine früheren Sünden Buße tun muss, für ein Unverstand, eine Unvernunft, eine Unklugheit und in welchem Grade ein Wahnsinn ist, das vermag selbst noch ein Wahnsinniger zu verstehen. | |||
Wenn du sagst: "Warum sollten der Dienst am Glauben und am Qur'an mir die Politik verbieten?" | |||
' | so sage ich: Die Wahrheiten des Glaubens und des Qur'an sind in der Tat jede einzelne wie ein Juwel. Hätte ich mich mit der Politik besudelt, müssten die einfachen Leute, die sich doch so leicht verführen lassen, über diese Juwelen in meiner Hand denken: "Ist das vielleicht politische Propaganda, um Anhänger zu gewinnen?" Sie würden diese Diamanten für gewöhnliche Glassplitter ansehen. Sobald ich also mit der Politik in Berührung käme, wäre das so, als würde ich diesen Juwelen Unrecht tun und ihren Wert herabmindern. | ||
Nun also, Ihr Weltleute! Warum lasst Ihr mich nicht zufrieden? Gebt Ihr keine Ruhe? Lasst mich nicht wo wie ich bin? | |||
'''Wenn Ihr aber sagt:''' | |||
''' | "Auch unsere Scheiche müssen sich manchmal mit unseren Angelegenheiten befassen. Und auch du wirst manchmal ein Scheich genannt..." | ||
'''Ich aber sage Euch:''' | |||
''' | Meine Herren! Ich bin kein Scheich. Ich bin ein Hoca. Beweis dafür ist, dass ich seit vier Jahren hier bin. Hätte ich auch nur einem einzigen Menschen Ordensunterricht (tariqat) erteilt, hättet ihr das Recht, mich zu verdächtigen. Doch wisst ihr, dass ich jedem, der zu mir gekommen ist, gesagt habe: Glaube ist nötig; Islam ist nötig; für Ordensunterricht ist es nicht die Zeit. | ||
'''Wenn ihr sagt:''' | |||
''' | "Man nennt dich Said-i Kürdi (= Kurde). Vielleicht vertrittst du einen rassistischen Standpunkt. Das aber dient nicht unserer Sache." | ||
'''Ich aber sage:''' | |||
''' | Meine Herren! Was der Alte Said und was der Neue Said geschrieben haben, liegt offen vor. Ich bezeuge, dass ich bekanntlich, entsprechend dem unbedingten Erlass (ferman): اَ لْاِسْلاَمِيَّةُ جَبَّتِ الْعَصَبِيَّةَ الْجَاهِلِيَّةَ {"Die Religion des Islam (islamiyet) hat die Merkmale vorislamischer Zeit (djahiliyet) ausgelöscht."} seit alter Zeit Nationalismus und Rassismus, welche eine Art fränkischer (= in Europa endemischer) Krankheit in Europa darstellen, als ein mörderisches Gift angesehen habe. Und Europa hat diese fränkische Krankheit in den Islam hineingeworfen, um ihn zu spalten und zu teilen und denkt nun, dass es ihn so leichter hinunterschlucken könne. Dass ich mich schon seit langem darum bemühe, diese fränkische Krankheit zu heilen, das wissen meine Schüler und alle, | ||
die mit mir in Berührung gekommen sind. | |||
Wenn die Sache aber nun so ist, was ist dann wohl der Grund dafür, meine Herren, dass sie jedes Ereignis zum Vorwand dafür nehmen, mich zu belästigen? Wenn ein Soldat im Osten einen Fehler begeht und man bestraft dafür einen Soldaten im Westen und bereitet ihm Schwierigkeiten, bloß weil er auch in der Wehrmacht dient... oder aber, wenn ein Kaufmann in Istanbul ein Verbrechen begeht und man misst nun auch einem Händler in Bagdad eine Art von Schuld zu, weil auch er dem Stande der Kaufleute angehört, und wenn Ihr mich wegen eines jeden Vorfalles in dieser Welt belästigt, nach welchem Gesetz geht das dann? Welches Gewissen urteilt hier? Welcher Vorteil wird dadurch gewonnen? | |||
'''Dritter Punkt:''' | |||
''' | |||
Freunde, die an meine Ruhe denken und meine Haltung befremdlich finden, mit der ich jedem Übel in schweigender Geduld begegne, stellen sich folgende Frage: "Wie kannst du diese Umstände und all die Schwierigkeiten, die über dich gekommen sind, ertragen? Denn früher warst du doch so jähzornig und so auf deine Ehre bedacht und konntest noch nicht einmal eine harmlose Kränkung verkraften." | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Ich möchte Euch zwei kleine Erlebnisse und Geschichten zu Gehör bringen. Daraus könnt Ihr die Antwort entnehmen. | ||
'''Erste Geschichte:''' | |||
''' | Vor zwei Jahren hatte sich ein Direktor in meiner Abwesenheit grundlos in abschätziger Weise und mit beleidigenden Worten gegen mich ausgesprochen. Man teilte mir das später mit. Da stieg die Natur des Alten Said wieder in mir hoch und überwältigte mich fast eine Stunde lang. Danach aber ergriff durch die Barmherzigkeit (rahmet) Gottes des Gerechten eine Wahrheit mein Herz, vertrieb aus ihm jede Missstimmung, löschte meine Ansprüche gegenüber diesem Mann und ich trug ihm nichts mehr nach (= bana helal ettirdi). Diese Wahrheit aber war die folgende: | ||
Ich sprach zu meiner Seele (nefs): Wenn seine Beschimpfungen und die Fehler, die er bloßgestellt hat, mich selbst, meine Person (shahis) und meine Seele (nefis) betreffen, so möge Allahs Wohlgefallen über ihm sein (= Allah ondan razi olsun), dafür, dass er die Ungebührlichkeiten (ayiblar) meiner Seele ausgesprochen hat. Hat er recht gesprochen, so wird dies meine Seele zur Zucht führen (terbiye) und mir helfen, mich vor dem Stolz (gurur) zu bewahren. Hat er aber falsch gesprochen, so ist er mir eine Hilfe, mich vor Heuchelei (riya) und trügerischem Ruhm (shöhret) zu bewahren, der die Grundlage aller Heuchelei (riyanin esasi) ist. Ich habe in der Tat noch keinen Frieden (musalaha) mit meiner Seele geschlossen, denn ich habe meine Erziehung (terbiye) noch nicht vollendet. Sagte mir jemand, es säße ein Skorpion an meinem Hals oder auf meiner Brust, oder zeigte er darauf, so sollte man deswegen nicht gekränkt, vielmehr dafür dankbar sein. | |||
Beziehen sich jedoch die Beleidigungen dieses Mannes auf mich in meiner Eigenschaft als Diener am Glauben und am Qur'an, so betrifft mich dies nicht. Diesen Mann überlass ich dem Herrn des Qur'an (Sahib-i Qur'an), der mich in Seinen Dienst genommen hat. Er ist der Allmächtige (Aziz) und Allweise (Hakiem). | |||
Wäre es aber nur, um mich zu beschimpfen, beleidigen, erniedrigen, so träfe mich auch dies nicht. Als ein Verbannter, ein Gefangener, ein Fremdling (gharib), dem die Hände gebunden sind, fällt es mir nicht mehr zu, selber meine eigenen Ehre wieder herstellen zu wollen. Es ist dies vielmehr die Aufgabe derer, die mich als Regierungsräte und Ratsherren in diesem Dorf, dieser Stadt, diesem Vilayat als ihren Gast im Auge behalten sollen. Die Beleidigung eines Gefangenen, der sich in der Hand irgendeines Menschen befindet, betrifft dessen Herrn (sahib) und diesem obliegt die Verteidigung. | |||
So sind nun einmal die Tatsachen und so kam auch mein Herz zur Ruhe. | |||
Ich sagte:وَاُفَوِّضُ اَمْرِۤى اِلَى اللّٰهِ اِنَّ اللّٰهَ بَصِيرٌ باِلْعِبَادِ {"Ich stelle meine Sache Allah anheim. Denn fürwahr, Allah schaut auf Seine Diener und Verehrer." (Sure 40, 44)} Also habe ich dieses Ereignis so hingenommen, als wäre es nie geschehen und es wieder vergessen. Leider stellte es sich dann später doch noch heraus, dass der Qur'an ihm nicht verziehen (helal) hatte... | |||
وَاُفَوِّضُ | |||
'''Zweite Geschichte:''' | |||
''' | In diesem Jahr habe ich von einem Zwischenfall gehört. Nachdem sich dieser Zwischenfall ereignet hatte, hörte ich zwar nur kurz von diesem Geschehnis, wurde jedoch so behandelt, als wäre ich ernsthaft in dieses Geschehnis verwickelt gewesen. Ich tausche schon seit langem keine Nachrichten mehr aus. Wenn ich es dennoch tue, schreibe ich höchst selten einmal an einen Freund über Glaubensdinge. Selbst an meinen Bruder habe ich in vier Jahren nur einen einzigen Brief geschrieben. Ich habe diese Beziehungen sowohl mir selbst untersagt, als auch die Weltleute ihn mir untersagt haben. Nur ein, zwei Freunde konnte ich einmal in der Woche wiedersehen. Was die Gäste im Dorf - ein, zwei im Monat - betrifft, so sprachen sie mit mir ein, zwei Minuten über ein religiöses (akhiret) Thema. | ||
Hier in dieser Fremde (ghurbet), wo es für Leute wie mich, einen Fremdling (ghalib), der allein ist und keine Menschenseele kennt, nicht möglich ist, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten, bin ich von allen Menschen ausgeschlossen und alle Dinge sind mir verboten. | |||
Ich habe sogar vor vier Jahren eine halb verfallene Moschee wieder in Stand setzen lassen. Doch obwohl man mir in meiner Heimat die Urkunden für meinen Dienst als Prediger und Imam ausgestellt und ausgehändigt hatte und ich dort in dieser Moschee vier Jahre meinen Dienst als Imam versehen hatte (möge Allah diesen Dienst von mir annehmen = Allah kabul etsin), konnte ich in diesem letzten gesegneten Monat Ramadan nicht mehr in diese Moschee gehen. Mein Gebet habe ich manchmal allein verrichtet. So bin ich der 25 Sevab (= Verdienste) und Wohltaten (khayr) eines in der Gemeinschaft verrichteten Gebetes verlustig (mahrum) geblieben. | |||
So habe ich denn auch diese beiden Ereignisse, von denen ich betroffen wurde, genau so wie vor zwei Jahren das Verhalten, das dieser Beamte mir gegenüber an den Tag legte, geduldig ertragen und ausgeharrt. Und wolle es Gott, dass ich es auch in Zukunft so halten werde. Dabei denke ich und sage ich mir: | |||
Wenn dieses Leid, diese Plage, diese Unterdrückung, wie sie mir von Leuten zugefügt werden, meine Seele (nefs) betreffen, die so voller Fehler und Mängel (ayib) ist, so trage ich nichts nach (= helal ediyorum). Vielleicht wird meine Seele dadurch eine bessere Haltung (islah-i hal) annehmen. Und es ist zudem auch noch eine Buße für die Sünden (keffaret-udh'dhunub). Ich habe in diesem irdischen Gasthaus sehr viele Vergnügungen genossen. Wenn man mich nun ein ganz klein wenig misshandelt, so bin ich auch wiederum dankbar dafür. | |||
Wenn mich die Weltleute unterdrücken, weil ich dem Glauben und dem Qur'an diene, so ist es nicht meine Sache, mich dagegen zu verteidigen. Das überlasse ich dem Allgewaltigen in Seiner Allmacht (Aziz-i Djebbar). | |||
Falls die Absicht darin besteht, die mir überwiesene allgemeine Aufmerksamkeit von mir abzulenken, um jenen eitlen Ruhm (shöhret) zu zerbrechen, der unbegründet und Ursache zur Heuchelei (riya) ist und die Aufrichtigkeit (ikhlas) zerstört, dann möge das Erbarmen (rahmet) mit ihnen sein. Denn ich denke, dass es für Menschen wie mich schädlich ist, in den Blickpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu geraten und in den Augen der Leute ein berühmter (shöhret) Mann zu sein. Leute, die mit mir in Verbindung stehen, wissen, dass ich keine Ehrerbietung (hurmet) für meine Person wünsche, vielmehr sie verabscheue. Ja, ich habe dies sogar einem achtbaren Freund, der mir etwas bedeutet, vielleicht 50 Mal verwiesen. | |||
Falls sie beabsichtigen, mich zu diffamieren, mich in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzuwürdigen, um damit die Wahrheiten des Glaubens und des Qur'an, dessen Dolmetscher ich bin, zu treffen, so ist dies vergeblich. Denn die Sterne des Qur'an kann man nicht hinter einem Vorhang verstecken. "Wer seine Augen verschließt, kann nur selbst nichts sehen, andere kann er nicht in Nacht stürzen." | |||
'''Vierter Punkt:''' | |||
''' | |||
Antwort auf einige Fragen, die auf irrigen Vorstellungen beruhen. | |||
'''Erste Frage:''' | |||
''' | Weltleute fragen mich immer wieder: "Wovon lebst du? Wie findest du dein Auskommen ohne zu arbeiten? Wir wollen in unserem Lande keine Leute, die faul herumsitzen und sich auf anderer Leute Kosten durchbringen!..." | ||
'''Antwort:''' | |||
''' | Ich bin sparsam (iktisad) und mein Leben ist gesegnet. Ich nehme von niemandem außer meinem Versorger (Rezzaq) etwas an, keine Gefälligkeiten und nichts, was mich zu Dank verpflichten könnte, und habe mir das auch für die Zukunft vorgenommen. Es braucht in der Tat ein Mann, der von hundert Para, ja sogar von vierzig Para täglich lebt, von anderen keine Gefälligkeiten anzunehmen. Auf diese Frage einzugehen, war überhaupt nicht meine Absicht. Denn eine Erklärung abgeben zu müssen, die in den Gedanken anderer vielleicht den Eindruck erweckt, stolz (gurur) und selbstgefällig (enaniyet) zu sein, ist mir besonders peinlich. Doch Weltleute haben mich in einer Weise verdächtigt und ausgefragt, dass ich nun sagen muss: | ||
Es ist ein Prinzip, das ich in meinem ganzen Leben stets eingehalten habe, schon von meiner Kindheit an, nichts von den Leuten anzunehmen (auch nicht, wenn es Zekat sein sollte), auch mein monatliches Gehalt nicht anzunehmen (nur ein, zwei Jahre wurde ich an der Daru-l'Hikmeti-l'Islamiye unter dem Druck meiner Freunde dazu gezwungen, es anzunehmen), nicht für mein monatliches Auskommen eine Dankesschuld auf mich zu laden. Meine Landsleute und auch die mich anderen Orts kennen, wissen das. In diesen fünf Jahren meiner Verbannung haben sich viele Freunde sehr darum bemüht, mir ihre Geschenke aufzudrängen. Ich habe sie nicht angenommen. | |||
Wenn sie mich dann fragen: "Wie kannst du dich unter diesen Umständen noch über Wasser halten?"antworte ich ihnen: | |||
"Ich lebe durch Gottes Segen (bereket) und Seine Freigiebigkeit (ikram)." Obwohl meine Seele eigentlich jegliche Verachtung verdient hätte und dass man ihr alle Treue aufkündige, habe ich dennoch jenen Segen erfahren, welcher in der Versorgung durch Gottes Freigiebigkeit (ikram-i Ilahi) besteht und ein Wunder (keramet) des Dienstes am Qur'an ist. | |||
Dem Geheimnis (der Ayah): وَ اَمَّا بِنِعْمَةِ رَبِّكَ فَحَدِّثْ {"Doch erzähle von der Gnade deines Herrn!" (Sure 93, 11)} | |||
folgend, möchte ich die Gnadengeschenke (ihsanat), die Gott der Gerechte mir erwiesen hat, erwähnen. Möge es eine Art von Danksagung (shukr-u manevi) sein, wenn ich hier einige Beispiele erzähle! Doch wenn ich es auch tue, damit es eine Danksagung sein solle, so fürchte ich doch, selbstgefällig (riya) und stolz (gurur) zu erscheinen und so des Segens (bereket) verlustig zu gehen. Denn wenn einer, sich selber rühmend, einen geheimen Segen ausposaunt, so verursacht er damit dessen erlöschen. Doch was hilft das, ich muss es dennoch sagen. | |||
'''Erstens:''' | |||
''' | Seit sechs Monaten komme ich mit einem Scheffel (35,27 kg) Weizen aus. Es reicht für 36 Brote. Es ist noch etwas davon da, noch nicht alles aufgebraucht. Wie lange es noch reichen wird, weiß ich nicht.(*<ref>*{Es reichte noch ein Jahr}</ref>) | ||
'''Zweitens:''' | |||
''' | In diesem gesegneten Monat Ramadan haben mir nur zwei Häuser Essen gebracht. Und beide haben mich krank gemacht. So habe ich verstanden, dass es mir verboten ist, Speisen von anderen zu essen. Übrigens berichtete mir Abdullah Tschavusch, der Herr des Hauses und das Oberhaupt dieses ganzen gesegneten Hauses, mein getreuer Freund, der sich den ganzen Ramadan über um meine Verpflegung kümmerte, und er bezeugte, dass mir drei Laib Brot und eine Kiyye (1283 g) Reis genügten. Dieser Reis ging sogar erst fünfzehn Tage nach dem Ramadan zu Ende. | ||
Auf dem Berg genügte mir und meinen Gästen eine Kiyye Butter für drei Monate, obwohl wir doch jeden Tag Butterbrote gegessen haben. Einer meiner gesegneten Gäste hieß Suleyman. Mein Brot und auch sein Brot gingen zu Ende. Es war an einem Mittwoch, als ich zu ihm sagte: "Gehe und bringe Brot!" Es gab aber zwei Stunden weit im Umkreis niemanden, von dem man hätte Brot holen können. Er sagte zu mir: "Ich habe den Wunsch, die Freitagsnacht bei dir auf dem Berge im Gebet zu verbringen." Ich gab ihm zur Antwort: "Wir vertrauen auf Gott. Bleib also." | |||
Danach stiegen wir beide, ohne dass wir dazu eine Veranlassung gehabt hätten, oder es dafür einen Grund gegeben hätte, immer weiter wandernd bis zum Gipfel eines Berges hinauf. Bei uns hatten wir eine Kanne mit etwas Wasser. Auch hatten wir ein bisschen Zucker und etwas Tee bei uns. Ich sagte: "Mein Bruder, mach ein wenig Tee." Während er damit beschäftigt war, den Tee zuzubereiten, saß ich unter einer Zeder, die sich hoch über einem Bach erhob. Traurig dachte ich bei mir: "Wir haben noch etwas schimmeliges Brot. Es reicht heute abend noch für uns beide. Wie sollen wir das zwei Tage lang machen und wie soll ich das diesem Mann in seiner Herzensreinheit beibringen?" Während ich noch darüber nachdachte, wendete ich meinen Kopf, und es war mir, als drehte sich mir der Kopf wie von selbst, und da sah ich: In den Zweigen der Zeder über mir lag ein riesengroßer Laib Brot für uns bereit. "Suleyman, eine Überraschung (müjde)!" rief ich, "Gott der Gerechte hat für uns gesorgt." Wir holten das Brot herunter, betrachteten es und sahen, dass Vögel oder andere frei lebende Tiere es nicht angerührt hatten. Seit zwanzig, dreißig Tagen war kein Mensch mehr auf diesen Gipfel gestiegen. Dieses Brot reichte uns beiden für zwei Tage. Während wir davon aßen und es fast schon aufgegessen hatten, kam (ein anderer) Suleyman, der mir schon seit vier Jahren ein wahrer und treuer Freund ist, von unten herauf mit Brot. | |||
'''Viertens:''' | |||
''' | Diese Jacke, die ich hier jetzt trage, habe ich vor sieben Jahren gebraucht gekauft. In fünf Jahren habe ich für Oberkleidung, Unterwäsche, Schuhe und Strümpfe viereinhalb Lira ausgegeben. Es genügten mir der Segen Gottes (bereket), die Sparsamkeit (iktisad) und Seine Barmherzigkeit (rahmet-i Ilahiye). | ||
So gibt es diesen Beispielen entsprechend noch viele dergleichen Dinge und sehr viele Erscheinungsweisen göttlichen Segens (bereket-i Ilahiye). Die Bewohner dieses Dorfes kennen viele von ihnen. Es soll aber niemand meinen, dass ich all dies erzähle, um mich zu rühmen; vielmehr wurde ich dazu gezwungen. Und denken Sie bitte nicht, es habe sich mir eine Quelle aufgetan, weil ich ein so guter Mensch bin. Diese Segnungen sind entweder ein Gnadenerweis (ihsan) für die | |||
Lauterkeit der Freunde, welche zu mir kommen, oder ein Gastgeschenk (ikram) für den Dienst am Qur'an, oder der segensreiche Gewinn der Sparsamkeit. Vielleicht ist es auch die Versorgung der vier Katzen, die bei mir sind und mit ihrem "Ya Rahîm, Ya Rahîm" ständig der Barmherzigkeit Allahs gedenken (dhikr) und die in Form dieses Segens zu mir kommt, wovon dann auch ich meinen Nutzen habe. Wenn du aufmerksam ihrem melancholischen schnurren zuhörst, kannst du in der Tat verstehen, wie sie "Ya Rahîm, Ya Rahîm" rezitieren. | |||
Die Geschichte mit der Katze bringt mir die Sache mit dem Huhn in Erinnerung. Ich habe nämlich ein Huhn. Es brachte mir während des Winters, einer Eiermaschine gleich, mit sehr seltenen Unterbrechungen an jedem Tag ein Ei aus der Schatzkammer der göttlichen Barmherzigkeit (rahmet). Ja, an einem Tag legte es sogar zwei Eier. Ich war erstaunt und fragte meine Freunde: "Gibt es so etwas?" Sie sagten: "Vielleicht ist es ein Gnadenerweis Gottes (ihsan-i Ilahiye)!" Im Sommer hatte dieses Huhn auch noch ein kleines Kücken ausgebrütet. Dieses begann dann zu Anfang des heiligen Monats Ramadan mit dem Eierlegen und setzte das vierzig Tage so fort. Weder ich, noch die, welche mir dienten, hatten einen Zweifel daran, dass dieser gesegnete Umstand (hal), sowohl seine Kleinheit, als auch der Winter, als auch der Ramadan ein Gastgeschenk des Herrn (ikram-i Rabbani) war. Als dann seine Mutter das Eierlegen einstellte, begann es sofort wieder und ließ mich nicht ohne Eier. | |||
Die Weltleute fragen mich: "Wie können wir uns darauf verlassen, dass du dich in unsere weltlichen Angelegenheiten nicht einmischen wirst? Wenn wir dich freilassen, wirst du dich vielleicht in unsere weltlichen Angelegenheiten einmischen. Woher sollen wir wissen, was du mit deiner Schläue im Schilde führst? Woher sollen wir wissen, ob du mit deiner Schläue nicht vielleicht nur so tust, als habest du die Welt verlassen und ob du Volkseigentum nur öffentlich nicht nimmst, es aber sehr wohl im Geheimen an dich bringst?" | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Ich wurde vor zwanzig Jahren vor ein Kriegsgericht gestellt. Und auch schon früher, in der Zeit vor der Hürriyet (= die Zeit der konstitutionellen Monarchie, genannt "Hürriyet" = Freiheit) waren meine innere und äußere Haltung vielen bekannt. Desgleichen zeigt auch meine Verteidigungsrede vor dem Gericht mit dem Titel: "Mein Zeugnis an zwei Schulen des Unglücks" ganz deutlich, dass ich mein Leben in der Weise verbracht habe, dass ich mich nicht dazu erniedrigt habe, irgendwelche Manöver anzuwenden oder einen Hinterhalt anzulegen, ja noch nicht einmal zu einer harmlosen Lobhudelei. | ||
Hätte es eine solche Lobhudelei gegeben, so wäre in diesen fünf Jahren schon eine Anmeldung angedient worden. Mit einer solchen Lobhudelei möchte ein Mann sich beliebt machen. Er nimmt sich nicht zurück. Er hat immer eine Hinterlist, irgedeinen Betrug im Sinn. Ich aber habe mich trotz schwerer Angriffe und Kritiken zu keiner Würdelosigkeit erniedrigt. "Ich vertraue auf Gott", sagte ich und habe den Weltleuten den Rücken gekehrt. | |||
Wer zudem das Jenseits kennt und die Realitäten in dieser Welt erkannt hat, wird da nicht bedauern, kehrt nicht wieder in die Welt zurück, strebt nicht nach ihr. Nach fünzig Jahren opfert ein Mann, der ganz auf sich allein gestellt und am irdischen nicht interessiert ist, nicht sein Ewiges Leben um in dieser Welt ein, zwei Jahre für leeres Gerede und politische Kurpfuscherei zu opfern... opferte er es aber, wäre das keineswegs besonders intelligent, vielmehr irrsinniger Wahnwitz. Was aber sollte aus der Hand eines solchen wahnwitzigen Irren schon kommen, dass man sich mit ihm beschäftigen sollte? | |||
Was jedoch den Zweifel daran betrifft, ob ich nicht äußerlich zwar die Welt verlassen habe, mich aber doch innerlich noch nach der Welt sehne, so sage ich entsprechend dem Geheimnis: وَمَاۤ اُبَرِّئُ نَفْسِىٓ اِنَّ النَّفْسَ لَاَمَّارَةٌ بِالسُّوۤءِ | |||
{"Ich will mein Herz (nefs) nicht freisprechen von Schuld; denn das menschliche Herz (nefsu l-emmare: das Tier in uns) ist dem Bösen zugeneigt." (Sure 12, 53),} | |||
dass ich mich (nefs) nicht für schuldlos erklären will... denn das Tier in mir (nefs-ul emmare - نَّفْسَ لَاَمَّارَةٌ ) verlangt ja nach all dem, was doch nicht gut ist. Aber in dieser vergänglichen Welt, in diesem behelfsmäßigen Gasthaus, in meinem vorgerückten Alter, ein ewiges, unvergängliches Leben und die Ewige Glückseligkeit innerhalb einer kurzen Lebensspanne für ein wenig Genuss zu zerstören, ist nicht Art eines Menschen von Verstand. Weil es aber nicht die Art eines Menschen von Verstand ist, hat sich dieses Tier in mir (nefsu l-emmare), mochte es nun wollen oder nicht, dem Verstand unterworfen. | |||
'''Dritte irrtümliche Frage:''' | |||
''' | Die Weltleute fragen mich: Liebst du uns? Sind wir dir genehm? Wenn du uns liebst, warum bist du uns dann böse und kümmerst dich nicht um uns? Wenn wir dir nicht genehm sind, bist du unser Gegner. Gegner aber werden von uns niedergeworfen. | ||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Hätte ich nicht nur euch, sondern auch eure Welt geliebt, so hätte ich mich nicht aus der Welt zurückgezogen. Ihr seid mir nicht genehm und eure Welt gefällt mir auch nicht. Aber da mische ich mich nicht ein. Denn ich habe eine andere Zielsetzung. Mein Herz ist von anderen Dingen erfüllt. An andere Dinge zu denken, bleibt in meinem Herzen kein Platz mehr übrig. Eure Aufgabe ist es, auf die Hand zu achten (d.h. auf das, was tatsächlich geschieht) und nicht das Herz zu beurteilen. Denn eure Angelegenheit ist das Regierungsgeschäft und die allgemeine Sicherheit im Lande. Mischt sich jemand nicht in eure Angelegenheiten ein, welches Recht habt ihr dann noch, zu verlangen, er solle euch auch noch mit dem Herzen lieben?... Ihr mischt euch in Herzensangelegenheiten ein. | ||
In der Tat will ich und wünsche ich den Frühling zu dieser Winterzeit. Aber ich kann ihn nicht herbeiführen, ja es noch nicht einmal versuchen. In ähnlicher Weise wünsche ich auch die Erlösung der Welt und bete darum und wünsche Erlösung für alle Menschen in dieser Welt. Aber ich kann sie nicht herbeiführen... Denn das liegt nicht in meiner Hand. Tatsächlich kann ich es noch nicht einmal versuchen... Denn das ist weder meine Aufgabe, noch bin ich dazu überhaupt in der Lage. | |||
'''Vierte irrtümliche Frage:''' | |||
''' | Die Weltleute sagen zu mir: Wir haben schon so viele Schwierigkeiten bekommen, dass wir niemandem mehr Vertrauen schenken können. Wie können wir deiner sicher sein, dass du dich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen wirst, sobald sich dir nur eine entsprechend günstige Gelegenheit dazu bietet? | ||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Die oben angeführten Punkte sollten euch diese Sicherheit geben. Zudem habe ich mich auch nicht in eure Angelegenheiten eingemischt, als ich noch inmitten meiner Freunde und Verwandten, die mir auf mein Wort folgten, lebte und die Ereignisse aufregend genug dazu waren. Jetzt, wo ich einsam und verlassen und ganz auf mich allein gestellt als ein Fremdling schwach und hilflos in der Verbannung lebe, isoliert von allen Menschen, die sich mit ganzer Kraft nach einer anderen Welt sehnen und von jeder Nachricht abgeschnitten lebe, hier, wo es nur wenige Freunde und Glaubensbrüder gibt, die selten genug und von weit her um des Glaubens und einer besseren Welt willen zu mir kommen und wo einer dem anderen fremd ist und sich die Menschen mit misstrauischen Blicken betrachten, mich in eure gefährlichen weltlichen Angelegenheiten einzumischen, wäre in mehrfacher Hinsicht Wahnsinn... | ||
'''Fünfter Punkt:''' | |||
''' | |||
Betrifft fünf kürzere Fragen: | |||
'''Erstens:''' | |||
''' | Die Weltleute fragen mich: Warum übernimmst du nicht unsere Art zu leben und uns zu bekleiden, kurz, den Stil unserer Kultur (usul-u medeniyet) und die Form unserer Zivilisation? Willst du damit zum Ausdruck bringen, dass du gegen uns bist? | ||
'''Ich halte dem entgegen:''' | |||
''' | Meine Herren! Mit welchem Recht erwarten Sie von mir, dass ich von Ihnen lernen soll, was Kultur und Zivilisation (usul-u medeniyet) ist? Haben doch gerade Sie mich von jeglichem Recht auf Zivilisation ausgeschlossen und dazu gezwungen, fünf Jahre rechtlos in einem Dorf zu leben, eine Kontakt- und Nachrichtensperre über mich verhängt. Allen Verbannten haben Sie erlaubt, in den Städten mit ihren Freunden und verwandten zusammenzukommen. Sie haben ihnen danach die Ausweispapiere ausgehändigt, mich aber ohne Grund isoliert und, von ein, zwei Ausnahmen abgesehen, keinen Verkehr mit meinen Landsleuten zugelassen. Das heißt doch wohl, dass Ihr mich nicht zu Euren Untertanen und Volksgenossen zählt. Wie könnt Ihr da noch von mir erwarten, dass ich die Gesetze Eurer Zivilisation (kanun-u medeniyet) übernehmen werde? Die Welt habt Ihr mir zu einem Kerker gemacht. Von einem Mann, der im Kerker sitzt, kann man aber derartige Dinge nicht erwarten. Die Türe zur Welt habt Ihr mir verschlossen. Ich aber habe an die Pforten einer anderen Welt (akhiret) angeklopft. Gottes Barmherzigkeit (rahmet-i Ilahiye) hat mir aufgetan. Wie aber kann man von einem Mann, der schon an den Pforten jener Welt (akhiret) angeklopft hat, die doch so schwierigen Sitten und Gebräuche dieser Welt erwarten? Erst wenn Ihr mir meine Freiheit wiedergegeben und das Recht gegeben habt, wieder in meine Heimat zurückzukehren, erst dann mögt Ihr wünschen, dass ich Eure Sitten übernehmen solle... | ||
'''Zweite Frage:''' | |||
''' | Die Weltleute sagen zu mir: Wir haben ein offizielles Amt, dass dafür zuständig ist, über den Glauben (din) und die Wahrheiten des Islam zu unterrichten. Du aber, in wessen Vollmacht betreibst du denn religiöse Propaganda? Denn da du nun einmal zur Verbannung verurteilt worden bist, hast du auch kein Recht mehr, dich in diese Angelegenheiten einzumischen. Die Weltleute sagen zu mir: Wir haben ein offizielles Amt, dass dafür zuständig ist, über den Glauben (din) und die Wahrheiten des Islam zu unterrichten. Du aber, in wessen Vollmacht betreibst du denn religiöse Propaganda? Denn da du nun einmal zur Verbannung verurteilt worden bist, hast du auch kein Recht mehr, dich in diese Angelegenheiten einzumischen. | ||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Das Recht und die Wahrheit unterliegen keiner Beschränkung. Wie kann man Glaube (iman) und Qur'an einer Beschränkung unterwerfen? Ihr könnt eure weltlichen Prinzipien und Gesetze einer Beschränkung unterwerfen. Doch die Glaubenswahrheiten und die Grundsätze des Qur'an können nicht nach Art der öffentlichen Angelegenheiten und gleich einem irdischen Geschäft, das man gegen Entgelt verrichtet, in eine Form gepresst werden. Denn diese Geheimnisse, die eine Gnadengabe Gottes sind, können nur reinen Herzens (khalis bir niyet) empfangen werden. Diese Segnungen (feyizler) erlangt man nur, wenn man sich aus diesen irdischen Geschäften zurückzieht und nur dadurch, dass man über allen weltlichen (nefs) Genüssen nach Erlösung strebt. Darüber hinaus hat mich sogar Ihre eigene öffentliche Behörde, damals, als ich noch in meiner Heimat lebte, zum Prediger bestellt und anerkannt. Ich habe damals diese Predigerstelle angenommen, auf mein Gehalt aber verzichtet. Eine entsprechende Urkunde trage ich bei mir. Mit dieser Urkunde kann ich überall als Prediger oder Imam tätig werden. Denn meine Verbannung ist zu Unrecht erfolgt. Überdies sind ja all die Verbannten längst schon heimgekehrt und diese meine Urkunde hat Wert und Gültigkeit immer noch behalten. | ||
'''Zweitens:''' | |||
''' | Durch die Glaubenswahrheiten, welche ich niedergeschrieben habe, wollte ich nur unmittelbar meine eigene Seele (nefs) ansprechen. Ich habe nicht jedermann dazu eingeladen. Vielmehr suchen diejenigen, deren Seele (ruh) ihrer bedarf und deren Herzen verwundet sind nach diesen Heilmitteln im Qur'an und finden sie dort. Zu meinem Lebensunterhalt habe ich nur die Risala über die Auferstehung drucken lassen, und zwar noch vor der Einführung der neuen Schrift. Sie wurde auch von diesem ehemaligen Gouverneur (vali), der sich mir gegenüber ungerecht verhalten hat, geprüft. Doch blieb diese Risala unbeanstandet, weil er nichts darin finden konnte, was einer Kritik wert gewesen wäre. | ||
'''Dritte Frage:''' | |||
''' | Manche meiner Freunde haben sich ganz offensichtlich von mir distanziert, weil ich bei den Weltleuten in Verdacht geraten bin und weil sie nun ihrerseits bei diesen Weltleuten gut angesehen sein möchten; ja sie kritisieren mich vielleicht. Doch sind diese Weltleute schlau genug, diese äußerliche Zurückhaltung und die kühle Distanziertheit solcher Leute mir gegenüber nicht als ein Zeichen der Treue gegenüber den Weltleuten anzusehen, sie vielmehr als eine Art von Heuchelei (riyaya), als eine Gewissenlosigkeit (vidjdansızlığa) zu betrachten und verfolgen solche Freunde daher mit bösen Blicken. | ||
Ich halte dem entgegen: | |||
'' | Oh Ihr meine Freunde im Glauben! Wenn ich dem Qur'an diene, so braucht ihr euch deswegen nicht gleich von mir zurückzuziehen und vor mir davonzulaufen! Denn von mir droht auch insha-a'llah keine Gefahr. Denn selbst angenommen, es würde sich irgendetwas Schlimmes ereignen, oder mir ein Unrecht zustoßen, so könntet ihr euch doch nicht retten dadurch, dass ihr euch vor mir zurückzöget. Denn in diesem Falle hättet ihr das Unglück und den Schlag, der euch getroffen hat, nur noch um so mehr verdient. Und was ist denn eigentlich passiert, dass ihr so sehr euren Wahnideen verfallen seid? | ||
'''Vierte Frage:''' | |||
''' | In dieser Zeit meiner Verbannung sehe ich, dass manche Menschen, die in den Sumpf der Politik hineingeraten sind, sich selbst aber gerne ein wenig herausheben möchten, mich mit Blicken betrachten, als stünde ich auf der gegnerischen Seite, so als ob auch ich so wie sie in den Strom dieser Welt mit hinein verwickelt wäre. | ||
Meine Herren! Der Strom, der mich bewegt, ist der Strom des Glaubens. Und der Strom, der sich mir entgegenstellt, ist der Strom des Unglaubens (imansızlık). Eine andere Strömung ist für mich nicht von Interesse. Männer, die sich zu einer solchen Arbeit für Lohn verdingen, mögen sich vielleicht selbst für entschuldigt halten. Mich aber ohne allen Lohn, in patriotischem Übereifer, aus einer Haltung der Parteilichkeit oder Gegnerschaft heraus anzugreifen und zu schikanieren, ist ein ganz besonders übler Fehler. Denn wie ich bereits weiter oben bewiesen habe, habe ich mich auf die Politik dieser Welt überhaupt nicht eingelassen. Ich habe all meine Zeit und mein ganzes Leben auf die Glaubenswahrheiten und den Qur'an beschränkt und nur ihm allein gewidmet. Und weil dies nun einmal so ist, möge doch derjenige, der mich in dieser Weise schikaniert und sich mir entgegenstellt, denken, dass er im Namen seiner Gottlosigkeit (zindıka) und Glaubenslosigkeit (imansızlık) so handelt und damit den Glauben angreift. | |||
'''Fünfte Frage:''' | |||
''' | |||
Die Welt ist nun einmal vergänglich. | |||
Außerdem ist das Leben nun einmal kurz. | |||
Außerdem gibt es nun einmal viele wichtige Aufgaben. | |||
Außerdem muss man sich nun einmal das Ewige Leben hier verdienen. | |||
Außerdem ist nun einmal diese Welt nicht ohne Besitzer (sahibsiz değil). | |||
Außerdem hat nun einmal diese unsere irdische Herberge einen Lenker und Leiter von großer Weisheit und Freigiebigkeit (Hakiem ve Keriem bir Mudebbir). | |||
Außerdem bleibt nun einmal das Gute und das Schlechte nicht ohne seinen Lohn. | |||
Außerdem gibt es nun einmal entsprechend dem Geheimnis von لاَ يُكَلِّفُ اللّٰهُ نَفْسًا اِلاَّ وُسْعَهَا {"Gott verlangt von keiner Seele (nefs) mehr, als sie zu tragen vermag." (Sure 2, 286)} | |||
keine unerträglichen Belastungen. | |||
Außerdem ist nun einmal ein gefahrloser Weg immer einem gefährlichen Weg vorzuziehen. | |||
Außerdem reichen nun einmal Freundesbande und Standesverpflichtungen nur bis zum Rand des Grabes... | |||
Der Glücklichste aber ist sicherlich derjenige, der das Jenseits nicht um des Diesseits willen vergisst, der das Jenseits nicht dem Diesseits zum Opfer bringt, der das Ewige Leben nicht um des irdischen Lebens willen zerstört, der sein Leben nicht mit nutzlosen Dingen vertändelt, der sich selbst nur als einen Gast betrachtet und der sich den Weisungen seines Gastherrn entsprechend verhält. Er wird heil und sicher (= selametle) das Tor seines Grabes öffnen und in die Ewige Glückseligkeit eingehen.(*<ref>*{Was ich mit den obigen "außerdem..."-Sätzen zum Ausdruck bringen möchte, ist Folgendes: Ich kümmere mich nicht um all das Unrecht, das man mir zufügt und messe den Schikanen keine Bedeutung bei. Ich sage mir: "Es ist die ganze Aufregung nicht wert." und mische mich nicht in wetliche Angelegenheiten.}</ref>) | |||
< | <span id="On_Altıncı_Mektup’un_Zeyli"></span> | ||
==Anhang zum "Sechzehnten Brief"== | |||
بِاسْمِهِ * وَ اِنْ مِنْ شَيْءٍ اِلاَّ يُسَبِّحُ بِحَمْدِهِ | |||
{"Im Namen dessen, außer dem es fürwahr kein Ding gibt, das Ihn nicht dankend lobpreist."} | |||
Die Weltleute verdächtigen mich, einen armseligen Fremdling (adjz, gharib), ohne jeden Grund. In ihrer Phantasie meinen sie, ich sei stark wie 1000 Mann und halten mich unter vielen Vorbehalten gefangen. Sie haben mir nicht erlaubt, ein, zwei Nächte an einem Ort in der Gegend von Badre oder auf einem Berg in der Nähe von Barla zu bleiben. | |||
Ich habe sie sagen gehört: "Said hat die Macht von 50.000 einfachen Soldaten. Darum können wir ihn nicht frei lassen." | |||
Ich halte dem entgegen: Oh ihr unglückseligen Weltleute! Warum versteht ihr die Dinge dieser Welt noch immer nicht, obwohl ihr euch doch mit all eurer Kraft für eure weltlichen Angelegenheiten einsetzt? Ihr urteilt einem Geisteskranken gleich. Wenn ihr in Bezug auf meine Person irgendwelche Befürchtungen habt, so können doch 50.000 Soldaten nicht, nein, es kann vielleicht schon ein einzelner Soldat 50 Mal mehr an Arbeit verrichten als ich. Denn er kann vor der Tür zu meiner Kammer Posten beziehen und zu mir sagen: "Hier kommst du nicht mehr raus!" | |||
Wenn ihr euch vor meiner Berufung (mesleğim) fürchtet, wenn ihr Angst habt, weil ich der öffentliche Ausrufer des Qur'an bin und die Kraft des Glaubens in mir ist, dann bin ich 50.000 Soldaten nicht gleichzusetzen. Da irrt ihr euch! Angesichts meiner Berufung bin ich so stark wie 50.000.000 von ihnen. Das sollt ihr wissen! Denn in der Kraft des Weisen Qur'an fordere ich mitsamt all euren Gottlosen auch ganz Europa heraus. Denn durch den Glauben (iman), dessen Lichter (envar) ich überall verbreitet habe, habe ich ihre positiven Wissenschaften, diese feste Burg, welche sie als "Natur" bezeichnen, zunichte gemacht. Die größten unter den atheistischen Wissenschaftlern habe ich dahin geführt, dass sie (in ihrem Unverständnis) noch unter die Tiere hinabgerutscht sind. Wolltet ihr all eure Atheisten mitsamt dem ganzen Europa zusammenrufen, so könntet ihr mich durch die Führung Allahs, der mir den Erfolg verleiht, doch nicht in auch nur einer einzigen Fragestellung von meiner Berufung (mesleğim) abbringen. Sie werden insha-a'llah nicht den Sieg davontragen!... | |||
Weil dies aber nun einmal so ist, mische ich mich nicht in eure weltlichen Angelegenheiten ein. Doch sollt auch ihr euch nicht in meine Angelegenheiten einmischen, welche das Jenseits betreffen. Zudem ist diese eure Einmischung auch vergeblich. | |||
Was Gott bestimmt hat (takdir-i huda), lässt sich nicht abwenden mit des Armes Kraft. | |||
So besitzt doch die Gerechtigkeit einen unbeugsamen Arm, ein Antlitz, das sich nicht abwendet. | |||
Über mich nähren die Weltleute in ganz ausnehmender Weise völlig irrige Vorstellungen, als ob sie mich fürchteten. Sie bilden sich ein, ich wäre, was ich gar nicht bin und selbst wenn ich es wäre, bildete es doch nicht den Gegenstand einer politischen Verfehlung und wäre gar kein Grund zur Anklage, Dinge wie die Würde eines Scheichs, Größe, Vornehmheit, Adel, ein Stammesfürst zu sein, Einfluss und eine persönliche Ausstrahlung zu besitzen, viele Anhänger zu haben, mit seinen Landsleuten Umgang zu pflegen, sich für die Ereignisse in dieser Welt zu interessieren, ja sogar politisch aktiv zu sein und das selbst auf Seiten der Opposition, Dinge, die gar nicht auf mich zutreffen und über die sie dennoch in Aufregung geraten. Ja, während sie schon darüber reden, diejenigen zu amnestieren, die noch im Gefängnis sitzen oder schon wieder draußen sind und die doch nach ihrer Meinung gar nicht für eine Amnestie in Frage kommen, verbieten sie mir selbst nahezu alles. Ein Mann von schlechtem Ruf und obzwar sein Ruhm schon vergänglich war, hat einmal das folgende schöne unvergängliche Wort geprägt: | |||
Wenngleich auch das Unrecht eine Kanone hätte, eine Kugel hätte, eine Burg hätte, | |||
So besitzt doch die Gerechtigkeit einen unbeugsamen Arm, ein Antlitz, das sich nicht abwendet. | |||
Dementsprechend sage auch ich: | |||
Wenngleich auch sich auf Seiten der Weltleute die Souveränität (hukum) findet, | |||
die Majestät sichtbar wird, die Macht (quvvet) zum Ausdruck kommt, | |||
so besitzt doch durch den Segen des Qur'an sein Diener ein unbeirrbares Wissen und ein Wort, | |||
das man nicht zum Verstummen bringen kann, einen untrüglichen Sinn (qalb) und ein unauslöschliches Licht. | |||
Viele meiner Freunde haben mir ebenso wie der Kommandant, der mich überwachte, immer wieder die Frage vorgelegt: | |||
Warum kommst du nicht um einen Ausweis nach, stellst keinen Antrag? | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Es gibt fünf, sechs Gründe dafür, dass ich einen solchen Antrag nicht stelle und auch gar nicht stellen darf. | ||
'''Erstens:''' | |||
''' | Ich habe mich in die weltlichen Angelegenheiten der Weltleute nicht eingemischt, sodass ich nun in ihrer Schuld stünde und bei ihnen vorstellig werden müsste. Ich bin ein Schuldner der göttlichen Allmacht (qader-i Ilahi) und habe mich gegen sie versündigt, sodass ich nun bei ihr vorstellig werden muss. | ||
'''Zweitens:''' | |||
''' | Ich habe mit absoluter Sicherheit geglaubt und erkannt, dass diese Welt eine Herberge ist, die sich schnell verwandelt. Deswegen ist sie keine wahre Heimat. Das ist überall das gleiche. Da ich aber nun einmal nicht ewig in meiner Heimat (Bitlis) bleiben kann, bringt es auch gar nichts ein, sich vergeblich darum zu bemühen, dorthin zu gelangen. Es ist nun einmal jeder Platz einer Herberge gleich. Ist aber der Herr (sahib) dieser Herberge in Seiner Barmherzigkeit (rahmet) mir freundlich gesinnt, so ist mir jedermann freundlich gesinnt und jeder Platz ist mir ein freundlicher Ort. Ist Er mir aber nicht freundlich gesinnt, so lastet mir jeder Ort auf der Seele (qalb) und jedermann ist mein Feind. | ||
'''Drittens:''' | |||
''' | Ein Anmeldeantrag kann nur im Rahmen des Gesetzes erfolgen. Doch seit sechs Jahren hat man mich stets nur mit Willkür behandelt und außerhalb der Gesetze gestellt. Nach dem Gesetz für die Verbannten wurde ich nicht behandelt. Man hat mich so betrachtet, als sei ich vom bürgerlichen Recht, ja sogar von den Menschenrechten ausgeschlossen. Es ist daher einfach widersinnig, im Namen des Gesetzes bei denen einen Antrag auf Anmeldung einzureichen, die sich selbst gesetzwidrig verhalten. | ||
'''Viertens:''' | |||
''' | In diesem Jahr hat der Herr Distriktsdirektor in meinem Namen einen Antrag eingereicht, mit der Bitte, mir für einige Tage in Badre, einem zur Stadtgemeinde von Barla gehörigen Stadtbezirk, Aufenthalt und Luftveränderung zu gestatten. Man hat mir diese Aufenthaltsgenehmigung nicht erteilt. Wenn aber bereits bei derart unwichtigen Angelegenheiten ein Antrag abgelehnt wird, wie kann ich denn dann bei solchen Leuten noch vorstellig werden? Wollte ich bei ihnen noch einen Antrag einreichen, wäre dies eine fruchtlose Erniedrigung in einer entwürdigenden Lage. | ||
'''Fünftens:''' | |||
''' | Gegenüber Leuten, die Unrecht (haqsızlığı) für Recht (haq) hinstellen, sein Recht zu fordern und bei ihnen vorstellig zu werden, ist eine Ungerechtigkeit (haqsızlık). Es wäre eine Respektlosigkeit (hurmetsizlik) gegenüber der Gerechtigkeit. Eine solche Ungerechtigkeit und eine solche Respektlosigkeit gegenüber dem Recht will ich nicht begehen und damit Friede. {Selam! = Gruß beim Abschiednehmen (A.d.Ü.).} | ||
'''Sechster Grund:''' | |||
''' | Die Schwierigkeiten, die Weltleute mir bereiten, haben keine politischen Gründe. Denn diese Leute wissen, dass ich mich nicht in die Politik einmische, dass ich die Politik fliehe. Vielleicht gehen ihre Schikanen bewusst oder unbewusst auf die Rechnung ihres Atheismus, weil ich doch dem Glauben (din) verbunden bin. Wenn dies aber so ist, dann hieße, bei ihnen vorstellig zu werden, sich mit Bedauern vom Glauben (din) abzuwenden und statt seiner dem Atheismus in die Arme zu werfen. | ||
Wollte ich aber bei ihnen vorstellig und kniefällig werden, so würde mich dennoch die Allmacht (qader-i Ilahi) Gottes in ihrer Gerechtigkeit (adil) durch ihre eigene Hand bestrafen. Denn sie schikanieren mich ja, weil ich ein im Glauben (diyanet) gebundener Mensch bin. Denn nach (Gottes) Bestimmung (Qader) werde ich gepeinigt, weil mein religiöses Leben (diyanet) und meine Aufrichtigkeit (ikhlas) fehlerhaft sind und ich ab und zu einmal versucht habe, mich bei Weltleuten beliebt zu machen. | |||
Wenn dies aber so ist, dann gibt es hier und jetzt keine Rettung vor dieser Pein. Wollte ich aber bei diesen Weltleuten vorstellig werden, so sagte mir Gottes Bestimmung (Qader): "Du Heuchler (riyakar)! Verkoste nun die Strafe dafür, dass du dich zu ihnen hingewandt hast!" Wenn ich mich aber ihnen nicht zuwende, dann sagen die Weltleute: "Du willst uns nicht kennen. Nun denn, so lass es und plage dich weiter!" | |||
'''Siebenter Grund:'''Es ist bekannt, dass die Aufgabe eines Beamten darin besteht, denjenigen, welche gesellschaftlichen Schaden zufügen, keinen Platz einzuräumen und denen, welche ihm dienen, Hilfe zu gewähren. Dennoch kam jener Beamte, bei dem ich unter Kuratel gestellt wurde, während ich einmal einem alten Mann, der als Gast zu mir gekommen war und schon am Rande des Grabes stand, die Süße des Geheimnisses (latif) darbot, das der Glaube (iman) im لاٰۤ اِلٰهَ إِلَّا اللّٰه "La ilaha illa'llah (Niemand und nichts ist anbetungs- und verehrungswürdig außer Gott allein)" in sich enthält, obwohl er lange Zeit nicht mehr bei mir gewesen war, zu mir, so als habe er mich gerade eben auf frischer Tat ertappt und als ob ich ein Verbrechen begangen hätte. Er hat diesen armen alten Mann, der mir aufrichtig (ikhlas) zuhörte, frustriert und leer ausgehen lassen und mich selbst auch noch in Wut gebracht. Dabei gab es hier noch einige andere Leute, denen er gar keine Beachtung schenkte. Als es schließlich so weit kam, dass sie in ihrer Sittenlosigkeit (edebsizlik) im gesellschaftlichen Leben des Dorfes ihr Gift verstreuten, hat er auch noch begonnen, ihnen seine Sympathie und seine Anerkennung zu bezeigen. | |||
''' | |||
Dabei ist doch allgemein bekannt, dass ein Mann, und säße er auch für hundert Verbrechen im Kerker, jederzeit mit den Wache habenden Beamten sprechen kann, seien sie nun Offiziere oder einfache Soldaten. Doch schon seit einem Jahr gehen sowohl der Befehlshaber als auch der wachhabende Beamte von der Nationalregierung, also zwei hohe Persönlichkeiten, jedes Mal an meiner Zelle vorüber, ohne sich auch nur im geringsten um mich zu kümmern oder gar nach mir zu erkundigen. Ich hatte zunächst einmal vermutet, das läge vielleicht daran, dass sie mir feindlich gesinnt sind. Später wurde mir dann klar, dass sie in ihrem Wahn vor mir davonlaufen, als wollte ich sie verschlingen. | |||
Eine solche Regierung, die aus derartigen Leuten zusammengesetzt ist und solche Beamten beschäftigt, überhaupt noch eine Regierung nennen zu wollen, sie als Meldebehörde anzuerkennen und dort vorstellig zu werden, widerspricht dem gesunden Menschenverstand, ist eine fruchtlose Erniedrigung. Der Alte Said hätte mit (dem französischen Dichter) Antere dazu gesagt: | |||
مَاۤءُ الْحَيَاةِ بِذِلَّةٍ كَجَهَنَّمَ * وَ جَهَنَّمُ باِلْعِزِّ فَخْرُ مَنْزِلىِ | |||
{"Wasser des Lebens in Erniedrigung ist wie die Hölle; Hölle in Ehren ist ein Ort, stolz darauf zu sein."} | |||
Es gibt den Alten Said nicht mehr. Der Neue Said aber hält es für sinnlos, mit den Weltleuten Umgang zu pflegen. Möge ihre Welt sie den Kopf kosten! Mögen sie mit mir machen, was sie wollen! Am Tag des Großen Gerichtes wird er mit ihnen vor den Richter kommen, sagt er und schweigt. | |||
Entsprechend dem Grundsatz: "Die Folge gesetzloser Liebe (ghayr-i meshru bir muhabbet) ist gnadenloser Hass (merhametsiz bir adavet)." wird die Allmacht Gottes (qader-i Ilahi) in ihrer Gerechtigkeit (adil) mich durch die ungerechte Hand dieser Weltleute bestrafen, wenn ich ihnen meine Sympathie erweise, obwohl sie derer doch gar nicht würdig sind. So denke ich denn, dass ich diese Strafe verdient habe und schweige. | |||
Denn als ich während des Ersten Weltkrieges Kommandeur eines Freiwilligenregimentes war, habe ich mich zwei Jahre lang eingesetzt und gekämpft. Ich habe unter dem Befehl vom Enver Pascha und seinem Obersten Kommandanten wertvolle Schüler und Freunde geopfert. Ich wurde verwundet und gefangen. Nach meiner Entlassung aus der Gefangenschft habe ich mich durch meine "Sechs Schritte (Hutuvat-i Sitte)" und andere, ähnliche Werke in Gefahr gebracht und zu der Zeit, als die Engländer Istanbul besetzt hielten, den Engländern vor den Kopf gestoßen. So habe ich damals denen, die mich heute schikanieren und grundlos gefangen halten, Hilfe geleistet. So lohnen sie mir heute diese meine Hilfe auf diese ihre Weise. All die Strapazen und Schwierigkeiten unter denen ich in russischer Gefangenschaft drei Jahre lang gelitten habe, haben mir hier meine "Freunde" in drei Monaten zugefügt. | |||
Denn die Russen haben mir damals, als ich noch Kommandant eines kurdischen Freicorps war und obwohl sie mich als Kosakenmörder und Gefangenenschlächter betrachteten, nicht verboten, Unterricht abzuhalten. So habe ich damals den meisten der 90 Offiziere, die meine Kriegskameraden waren, Unterricht erteilt. Einmal kam auch der russische Kommandant und hörte mit zu. Weil er kein türkisch verstand, glaubte er, ich gäbe politischen Unterricht. So verbot er mir dies zunächst, erteilte mir aber später doch wieder die Erlaubnis. Auch haben wir noch im selben Winter einen Raum als Moschee hergerichtet. Ich habe dort als Imam gedient. Man hat uns nicht dabei gestört. Man hat Besuche mir nicht untersagt. Eine Nachrichtensperre gab es nicht. | |||
Doch meine heutigen "Freunde", obwohl sie doch meine Landsleute und Mitgläubigen sind und Männer, denen im Glauben einen Dienst zu erweisen ich mich bemühe und die doch wissen, dass ich mich nicht für Politik interessiere und um weltliche Angelegenheiten mich nicht kümmere, haben mich nicht nur drei, nein sechs Jahre lang gefangen gehalten, mich grundlos schikaniert und mir jeden Umgang verboten. Sie haben mir den Unterricht verboten, obwohl meine Papiere in Ordnung sind, ja sogar Privatstunden in meinem eigenen Zimmer untersagt und mich von der Außenwelt abgeschottet. Ja sie haben mir sogar ungeachtet meiner Urkunden und Diplome meinen Gebetsraum verboten, den ich mir selbst hergerichtet hatte und in dem ich vier Jahre lang Imam gewesen bin. Ja, sie erlaubten mir jetzt noch nicht einmal, den drei Leuten, die meine Glaubensbrüder sind und mit mir eine feste Gemeinschaft bilden, ganz privat Imam zu sein, damit mir der Lohn des Gemeinschafsdienstes versagt bleibe. | |||
Selbst wenn irgendjemand gegen meinen eigenen Willen etwas Gutes zu mir sagt, wird der Beamte, der mich überwachen soll, blass vor Neid und rot vor Wut und ergreift gewissenlos Maßnahmen, um meinen Einfluss zu brechen und schikaniert mich in der Absicht, bei seinen Vorgesetzten besser angeschrieben dazustehen. | |||
Bei wem anders soll also nun ein Mann in meiner Lage vorstellig werden, außer bei Gott dem Gerechten? Wenn der Richter selber zugleich auch der Ankläger ist, bei wem denn soll man da noch seine Klage vorbringen? Komm nun und sprich zu mir, was ich in diesem Falle sagen sollte!? Was du auch sagen magst... ich halte dem entgegen: Es gibt unter diesen meinen Freunden viele Heuchler (munafiq). Ein Heuchler (munafiq) ist schlimmer als ein Ungläubiger (kafir). Darum verursachen sie mir Qualen, die mir die Russen nicht zugefügt haben. | |||
Oh ihr Unglückseligen! Was habe ich euch denn getan oder tue ich denn? Ich erweise euch einen Dienst zur Rettung eures Glaubens und für eure Ewige Glückseligkeit! Mein Dienst war also nicht lauter und rein. Weil ich ihn nicht um Allahs willen verrichtet habe, ist nun eine Gegenreaktion eingetreten. Im Gegenzug kränkt ihr mich nun bei jeder Gelegenheit... Sicherlich werden wir uns vor dem Großen Gericht wiedersehen!... | |||
حَس۟بُنَا اللّٰهُ وَنِع۟مَ ال۟وَكٖيلُ نِع۟مَ ال۟مَو۟لٰى وَنِع۟مَ النَّصٖيرُ derim. | حَس۟بُنَا اللّٰهُ وَنِع۟مَ ال۟وَكٖيلُ نِع۟مَ ال۟مَو۟لٰى وَنِع۟مَ النَّصٖيرُ derim. | ||
{"Es genügt uns Allah und Er ist unser bester Anwalt (wakil), unser bester Herr (maula) und unser bester Helfer (nasir)."} | |||
sage ich! | |||
اَلْبَاقِى هُوَ الْبَاقِى | |||
{"Der Beständige ist Er, der bleibt und besteht."} | |||
'''Said Nursî''' | '''Said Nursî''' | ||
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