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914. satır: | 914. satır: | ||
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'''Said Nursî''' | '''Said Nursî''' | ||
<nowiki>*</nowiki> * * | <nowiki>*</nowiki> * * | ||
< | <span id="On_Altıncı_Mektup"></span> | ||
== | ==Sechzehnter Brief== | ||
اَلَّذِينَ قاَلَ لَهُمُ النَّاسُ اِنَّ النَّاسَ قَدْ جَمَعُوا لَكُمْ فَاخْشَوْهُمْ فَزَادَهُمْ اِيمَانًا وَقاَلوُا حَسْبُنَا اللّٰهُ وَ نِعْمَ الْوَكِيلُ {"Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen." "Man sagte zu ihnen, dass die Menschen sich grade gegen die Menschen gesammelt haben. Fürchtet euch vor ihnen. Doch das bestärkte sie im Glauben und sie sagten: "Es genügt uns Allah und Er ist unser bester Anwalt (Vekil)."" (Sure 3, 173)} | |||
Dieser Brief verdeutlicht den Sinn der Ayah (Sure 20, 44): فَقُولاَ لَهُ قَوْلاً لَيِّنًا {"Sprich mit sanften Worten zu ihm!"} | |||
und ist deshalb nicht in scharfe (shiddetli) Worte gesetzt. | |||
Er ist die Antwort auf eine Frage, die in wörtlichem oder übertragenem Sinne (manen) von vielen gestellt wurde. | |||
Es ist mir keineswegs angenehm, diese Antwort zu geben und eigentlich wollte ich es gar nicht. Ich hatte mein ganzes Vertrauen (tevekkul) in Gott den Gerechten gesetzt. Weil man mich aber nicht mir selbst und in meiner Welt in Frieden leben lassen, vielmehr mir das Gesicht zur Welt (dunya) hin drehen wollte, will ich hier nun in "Fünf Punkten" eine Erklärung abgeben; nicht jedoch als der Neue Said, sondern erzwungenermaßen in der Sprache des Alten Said; und das nicht um meinetwillen, sondern um meine Freunde wie auch meine Worte (Sözler) vor den Weltleuten mit ihren Verdächtigungen und Nachstellungen zu retten und den wirklichen Sachverhalt sowohl meinen Freunden als auch den Leuten von Welt und den Leuten von Urteil Klarheit zu verschaffen. | |||
'''Erster Punkt:''' | |||
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Es wurde gesagt: Warum hast du dich aus der Politik zurückgezogen? Warum zeigst du dich so wenig entgegenkommend? | |||
'''Antwort:''' | |||
''' | Vor neun oder zehn Jahren hatte sich der Alte Said einmal ein wenig mit Politik befasst. Doch der Dienst, den er dem Glauben und der Wissenschaft mit der Politik hatte erweisen wollen, erwies sich als eine vergebliche Mühe und so musste er einsehen, dass dieser Weg zweifelhaft und schwierig und für ihn ein unnötiger Weg ist, dass er für seine wichtigsten Aufgaben ein Hindernis und ein gefährlicher Weg ist. Das meiste (an der Politik) ist Lüge und es besteht die Möglichkeit, dass man, ohne es zu bemerken, zum Werkzeug in der Hand des (nichtislamischen) Auslands wird. | ||
Zudem wird, wer sich mit der Politik beschäftigt, entweder für sie oder gegen sie sein. Wollte ich für sie sein, wäre, da ich ja kein Beamter oder Abgeordneter bin, die Beschäftigung mit der Politik eine nutz- und zwecklose Sache. Man benötigt mich nicht, sodass ich mich vergeblich mit ihr beschäftige. Wollte ich aber in den Reihen der Opposition Politik machen, müsste ich dies entweder in Gedanken tun, oder aber die Macht dazu haben. Täte ich es in Gedanken, so wäre ich dazu nicht vonnöten. Denn die Problematik ist allgemein bekannt. Jeder kennt sie so gut wie ich. Zweckloses Gerede aber ist zugleich auch sinnlos. Wollte ich aber mit Macht Widerstand leisten und den Lauf der Dinge herausfordern, dann bestünde die Möglichkeit, Tausende von Sünden zu begehen, um eines Zweckes willen, dessen Erreichung unsicher ist. So würden um eines Einzelnen willen viele ins Unglück gestürzt. Weil aber das Gewissen (vidjdan) sich weigert, wegen ein, zwei Möglichkeiten unter zehn Möglichkeiten eine Sünde zu begehen und Unschuldige mit in eine Sünde hineinzureißen, hat es der Alte Said aufgegeben, zu rauchen, Zeitungen zu lesen, Politik zu betreiben, oder auch nur bei privaten Zusammenkünften über derartige weltliche Dinge wie die Politik zu reden. | |||
Ein sicheres Zeugnis dafür ist, dass ich seit acht Jahren keine einzige Zeitung mehr gelesen habe oder mir hätte vorlesen lassen. Hätte mich jemals wieder irgendeiner eine Zeitung lesen sehen, oder gehört, wie mir jemand daraus berichtete, so möge er hierher kommen und es sagen. Dagegen hatte der Alte Said vor acht Jahren noch täglich vielleicht acht Zeitungen gelesen. | |||
Außerdem wird meine ganze Lebens- und Verhaltensweise seit fünf Jahren mit großer Aufmerksamkeit unter die Lupe genommen... Wer bei mir jemals bemerkt haben sollte, ich hätte etwas anklingen lassen, was nach Politik schmeckt, der möge es sagen! Denn der Gedanke eines Menschen, der so hochempfindlich ist wie ich, der nach dem Motto: اِنَّمَا الْحِيلَةُ فِى تَرْكِ الْحِيَلِ {"Der größte Betrug liegt in der Aufgabe des Betruges."} einsam, furchtlos und alleine lebt, kann nicht acht Jahre lang, ja noch nicht einmal acht Tage verborgen bleiben. Hätte er die Lust verspürt, den Wunsch gehabt, Politik zu treiben, hätte das einen Donnerschlag gleich einem Kanonenschuss ausgelöst, ohne dass es dabei noch irgendwelche Nachforschungen oder Untersuchungen gegeben hätte. | |||
'''Zweiter Punkt:''' | |||
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Warum hält sich der Neue Said so streng von jeglicher Politik zurück? | |||
'''Antwort:'''Er möchte sich um ein Ewiges Leben, das mehr als eine Milliarde Jahre währt, bemühen und es sich verdienen und es nicht für ein irdisches Leben von ein, zwei Jahren dahingeben, das sinn- und zwecklos mit einer Einmischung (in die Politik) verbunden ist. Deshalb flieht er für den Dienst am Glauben und am Qur'an, der der wichtigste, notwendigste, reinste und wahrhaftigste Dienst ist, so unbeirrbar vor der Politik. | |||
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Denn er sagt: Ich werde alt. Ich weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Weil dies nun so ist, ist die wichtigste Aufgabe für mich, mich um ein Ewiges Leben zu bemühen. Das Ewige Leben zu verdienen ist das allererste Mittel und der Schlüssel zur Ewigen Glückseligkeit ist der Glaube. Es ist notwendig, dass ich mich um ihn bemühe. | |||
Um mich aber auch den anderen Menschen als Wissenschaftler nützlich zu erweisen, möchte ich meinen Dienst versehen als einer der dem (islamischen) Gesetz verpflichtet ist. Natürlich (lâkin) könnte ich diesen Dienst auch im gesellschaftlichen und sozialen Leben tun. Doch bin ich dazu nicht befähigt. Doch in stürmischer Zeit ist ein unverfälschter Dienst nicht gewährleistet. Deshalb habe ich diesen Gedanken wieder fallen gelassen und gebe nur dem Gedanken an einen Dienst im Glauben, der der wichtigste, notwendigste und reinste Dienst ist, den Vorzug. Mögen diese Glaubenswahrheiten, die ich mir selbst erworben habe und diese geistigen Heilmittel, welche ich selbst ausprobiert habe, auch noch anderen Menschen zugänglich sein! Für sie lasse ich das Tor offen. Vielleicht nimmt Gott der Gerechte diesen Dienst an und macht mir daraus eine Buße für meine Sünden. | |||
Es hat niemand, der gesteinigte Satan ausgenommen, das Recht, sei er nun ein Gläubiger oder ein Leugner, einer von den Getreuen oder einer von den Gottlosen, das Recht, gegen einen solchen Dienst etwas zu unternehmen. Doch Glaubenslosigkeit (imansizlik) ist eine Sache, die sich nicht mit anderen Sachen vergleichen lässt. In Sachen Ungerechtigkeit (dhulum), leichter Verfehlungen (fisq) oder schwerer Sünde (kebair) findet sich ein wenn auch abscheulich, teuflicher Wohlgeschmack (lezzet-i sheytaniye). Doch in der Glaubenslosigkeit (imansizlik) findet sich in gar keiner Weise irgendein Wohlgeschmack. Sie ist Schmerz über Schmerz. Sie ist Finsternis über Finsternis. Sie ist Qual über Qual. | |||
Einen solch lichtvollen Dienst aufzugeben, wie es der Glaube ist und das Bemühen um ein unendliches und ewiges Leben, sich im Alter auf nutzlose und gefährliche Spielereien zu werfen, was das für einen Menschen wie mich, der einsam und zurückgezogen für seine früheren Sünden Buße tun muss, für ein Unverstand, eine Unvernunft, eine Unklugheit und in welchem Grade ein Wahnsinn ist, das vermag selbst noch ein Wahnsinniger zu verstehen. | |||
Wenn du sagst: "Warum sollten der Dienst am Glauben und am Qur'an mir die Politik verbieten?" | |||
' | so sage ich: Die Wahrheiten des Glaubens und des Qur'an sind in der Tat jede einzelne wie ein Juwel. Hätte ich mich mit der Politik besudelt, müssten die einfachen Leute, die sich doch so leicht verführen lassen, über diese Juwelen in meiner Hand denken: "Ist das vielleicht politische Propaganda, um Anhänger zu gewinnen?" Sie würden diese Diamanten für gewöhnliche Glassplitter ansehen. Sobald ich also mit der Politik in Berührung käme, wäre das so, als würde ich diesen Juwelen Unrecht tun und ihren Wert herabmindern. | ||
Nun also, Ihr Weltleute! Warum lasst Ihr mich nicht zufrieden? Gebt Ihr keine Ruhe? Lasst mich nicht wo wie ich bin? | |||
'''Wenn Ihr aber sagt:''' | |||
''' | "Auch unsere Scheiche müssen sich manchmal mit unseren Angelegenheiten befassen. Und auch du wirst manchmal ein Scheich genannt..." | ||
'''Ich aber sage Euch:''' | |||
''' | Meine Herren! Ich bin kein Scheich. Ich bin ein Hoca. Beweis dafür ist, dass ich seit vier Jahren hier bin. Hätte ich auch nur einem einzigen Menschen Ordensunterricht (tariqat) erteilt, hättet ihr das Recht, mich zu verdächtigen. Doch wisst ihr, dass ich jedem, der zu mir gekommen ist, gesagt habe: Glaube ist nötig; Islam ist nötig; für Ordensunterricht ist es nicht die Zeit. | ||
'''Wenn ihr sagt:''' | |||
''' | "Man nennt dich Said-i Kürdi (= Kurde). Vielleicht vertrittst du einen rassistischen Standpunkt. Das aber dient nicht unserer Sache." | ||
'''Ich aber sage:''' | |||
''' | Meine Herren! Was der Alte Said und was der Neue Said geschrieben haben, liegt offen vor. Ich bezeuge, dass ich bekanntlich, entsprechend dem unbedingten Erlass (ferman): اَ لْاِسْلاَمِيَّةُ جَبَّتِ الْعَصَبِيَّةَ الْجَاهِلِيَّةَ {"Die Religion des Islam (islamiyet) hat die Merkmale vorislamischer Zeit (djahiliyet) ausgelöscht."} seit alter Zeit Nationalismus und Rassismus, welche eine Art fränkischer (= in Europa endemischer) Krankheit in Europa darstellen, als ein mörderisches Gift angesehen habe. Und Europa hat diese fränkische Krankheit in den Islam hineingeworfen, um ihn zu spalten und zu teilen und denkt nun, dass es ihn so leichter hinunterschlucken könne. Dass ich mich schon seit langem darum bemühe, diese fränkische Krankheit zu heilen, das wissen meine Schüler und alle, | ||
die mit mir in Berührung gekommen sind. | |||
Wenn die Sache aber nun so ist, was ist dann wohl der Grund dafür, meine Herren, dass sie jedes Ereignis zum Vorwand dafür nehmen, mich zu belästigen? Wenn ein Soldat im Osten einen Fehler begeht und man bestraft dafür einen Soldaten im Westen und bereitet ihm Schwierigkeiten, bloß weil er auch in der Wehrmacht dient... oder aber, wenn ein Kaufmann in Istanbul ein Verbrechen begeht und man misst nun auch einem Händler in Bagdad eine Art von Schuld zu, weil auch er dem Stande der Kaufleute angehört, und wenn Ihr mich wegen eines jeden Vorfalles in dieser Welt belästigt, nach welchem Gesetz geht das dann? Welches Gewissen urteilt hier? Welcher Vorteil wird dadurch gewonnen? | |||
'''Dritter Punkt:''' | |||
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Freunde, die an meine Ruhe denken und meine Haltung befremdlich finden, mit der ich jedem Übel in schweigender Geduld begegne, stellen sich folgende Frage: "Wie kannst du diese Umstände und all die Schwierigkeiten, die über dich gekommen sind, ertragen? Denn früher warst du doch so jähzornig und so auf deine Ehre bedacht und konntest noch nicht einmal eine harmlose Kränkung verkraften." | |||
'''Meine Antwort:''' | |||
''' | Ich möchte Euch zwei kleine Erlebnisse und Geschichten zu Gehör bringen. Daraus könnt Ihr die Antwort entnehmen. | ||
'''Erste Geschichte:''' | |||
''' | Vor zwei Jahren hatte sich ein Direktor in meiner Abwesenheit grundlos in abschätziger Weise und mit beleidigenden Worten gegen mich ausgesprochen. Man teilte mir das später mit. Da stieg die Natur des Alten Said wieder in mir hoch und überwältigte mich fast eine Stunde lang. Danach aber ergriff durch die Barmherzigkeit (rahmet) Gottes des Gerechten eine Wahrheit mein Herz, vertrieb aus ihm jede Missstimmung, löschte meine Ansprüche gegenüber diesem Mann und ich trug ihm nichts mehr nach (= bana helal ettirdi). Diese Wahrheit aber war die folgende: | ||
Ich sprach zu meiner Seele (nefs): Wenn seine Beschimpfungen und die Fehler, die er bloßgestellt hat, mich selbst, meine Person (shahis) und meine Seele (nefis) betreffen, so möge Allahs Wohlgefallen über ihm sein (= Allah ondan razi olsun), dafür, dass er die Ungebührlichkeiten (ayiblar) meiner Seele ausgesprochen hat. Hat er recht gesprochen, so wird dies meine Seele zur Zucht führen (terbiye) und mir helfen, mich vor dem Stolz (gurur) zu bewahren. Hat er aber falsch gesprochen, so ist er mir eine Hilfe, mich vor Heuchelei (riya) und trügerischem Ruhm (shöhret) zu bewahren, der die Grundlage aller Heuchelei (riyanin esasi) ist. Ich habe in der Tat noch keinen Frieden (musalaha) mit meiner Seele geschlossen, denn ich habe meine Erziehung (terbiye) noch nicht vollendet. Sagte mir jemand, es säße ein Skorpion an meinem Hals oder auf meiner Brust, oder zeigte er darauf, so sollte man deswegen nicht gekränkt, vielmehr dafür dankbar sein. | |||
Beziehen sich jedoch die Beleidigungen dieses Mannes auf mich in meiner Eigenschaft als Diener am Glauben und am Qur'an, so betrifft mich dies nicht. Diesen Mann überlass ich dem Herrn des Qur'an (Sahib-i Qur'an), der mich in Seinen Dienst genommen hat. Er ist der Allmächtige (Aziz) und Allweise (Hakiem). | |||
Wäre es aber nur, um mich zu beschimpfen, beleidigen, erniedrigen, so träfe mich auch dies nicht. Als ein Verbannter, ein Gefangener, ein Fremdling (gharib), dem die Hände gebunden sind, fällt es mir nicht mehr zu, selber meine eigenen Ehre wieder herstellen zu wollen. Es ist dies vielmehr die Aufgabe derer, die mich als Regierungsräte und Ratsherren in diesem Dorf, dieser Stadt, diesem Vilayat als ihren Gast im Auge behalten sollen. Die Beleidigung eines Gefangenen, der sich in der Hand irgendeines Menschen befindet, betrifft dessen Herrn (sahib) und diesem obliegt die Verteidigung. | Wäre es aber nur, um mich zu beschimpfen, beleidigen, erniedrigen, so träfe mich auch dies nicht. Als ein Verbannter, ein Gefangener, ein Fremdling (gharib), dem die Hände gebunden sind, fällt es mir nicht mehr zu, selber meine eigenen Ehre wieder herstellen zu wollen. Es ist dies vielmehr die Aufgabe derer, die mich als Regierungsräte und Ratsherren in diesem Dorf, dieser Stadt, diesem Vilayat als ihren Gast im Auge behalten sollen. Die Beleidigung eines Gefangenen, der sich in der Hand irgendeines Menschen befindet, betrifft dessen Herrn (sahib) und diesem obliegt die Verteidigung. | ||
1.286. satır: | 1.231. satır: | ||
'''Said Nursî''' | '''Said Nursî''' | ||
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