Achtes Wort
"Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen;
{ Allah ist und außer Ihm gibt es keinen Gott, Er, der Lebendige, der Beständige." (Sure 2, 255) "Fürwahr, Glaube (din) ist bei Allah die Ergebung (Islam)" (Sure 3, 19)}
Möchtest du Wesen (mahiyet) und Wert des Glaubens (din) für den Menschen und des menschlichen Geistes für die Welt und die Welt selbst begreifen? Und weißt du, dass die Welt zu einem Gefängnis würde, gäbe es keinen wahren Glauben (din-i haq), und dass ein unreligiöser Mensch das unglückseligste unter allen Geschöpfen ist? Und weißt du, dass das tiefe Geheimnis (tilsim) dieser Welt durch den Ruf {"Oh Gott."} und das Zeugnis {"Es gibt keinen Gott außer Allah."} erschlossen wird, wodurch auch des Menschen Seele (ruh) aus der Finsternis errettet wird, dann betrachte und höre das folgende Gleichnis:
In alter Zeit begaben sich einmal zwei Brüder gemeinsam auf eine lange Reise. Sie gingen und gingen immer weiter und kamen schließlich an eine Weggablung. Genau dort aber, wo der Weg sich teilte, erblickten sie einen Landeskundigen, der ihnen Vertrauen (djiddi) einflößte. Ihn befragten sie: "Welches ist der bessere Weg?" Da entgegnete ihnen dieser: "Wählt ihr den rechten Weg, dann müsst ihr euch an Recht und Gesetz halten (kanun ve nizama tebaiyet). Doch für diese Mühe werdet ihr in Sicherheit (eminiyet) reisen und glücklich sein. Was aber den linken Weg betrifft, so bringt er für euch Freiheit und Ungebundenheit. Doch bringt diese Freiheit Gefahren und diese Ungebundenheit Ruhelosigkeit mit sich. Nun aber entscheidet euch und trefft eure Wahl."
Nachdem sie diese Worte vernommen hatten, sagte der eine von den beiden Brüdern, der gutwillig und wohlgesonnen war: {"Ich vertraue auf Gott."} schlug den rechten Weg ein und machte sich auf die Reise. Und dabei unterwarf er sich den Anordnungen von Recht und Gesetz (nizam ve intizam tebaiyet). Der andere Bruder aber, weil er bösgesinnt (akhlaqsiz) und verblendet war, zog es vor, den linken Weg zu wählen. Begleiten wir zuerst in unseren Gedanken diesen Mann.
Er hatte nun äußerlich eine leichte, doch innerlich eine schwere Bürde zu tragen. Da wanderte nun dieser Mann die Berge und Täler hinauf und hinunter und ging und ging immer weiter, bis er sich am Ende in einer menschenleeren Wüste befand. Dort vernahm er plötzlich ein fürchterliches Gebrüll. Sich umschauend erblickte er einen schrecklichen Löwen, der hinter einem Gebüsch hervor zum Sprung ansetzte. Rasch floh der Mann vor dem Löwen, fand eine sechzig Ellen tiefe, ausgetrocknete Zisterne und stürzte sich in seiner Angst hinein. Als er schon halb hinuntergefallen war, fand er einen Halt an einem Baum, der dadurch seinen Sturz auffing. Dieser Baum klammerte sich mit zwei schon morsch gewordenen Wurzeln in der Wand der Zisterne fest. In diese hatten sich zwei Mäuse verbissen, die eine weiß, die andere schwarz, und zernagten sie. Als der Mann seinen Blick nach oben wandte, sah er dort den Löwen einem Wächter gleich auf der Mauer sitzend warten. Nach unten blickend gewahrte er in der Tiefe einen abscheulichen Drachen. Er hatte das Haupt gegen ihn erhoben und reckte den Hals nach seinen Füßen, die dreißig Ellen über dem Abgrund baumelten. Sein Rachen war ebenso groß wie der Schacht der Zisterne selbst. Und auch als er die Schachtwand betrachtete, erblickte er rings umher allerlei Schmarotzer und eine Menge Ungeziefer. Nun wandte er seine Aufmerksamkeit der Krone des Baumes zu und sah, dass es ein Feigenbaum war. Doch - oh Wunder - der Baum trug sehr viele verschiedene Früchte; Nüsse und Granatäpfel hingen in seiner Krone.
Doch all das betrachtete dieser Mann in seinem Unverstand (sû-i fehm, aqilsizlik) völlig falsch. Er erkannte nicht, dass es sich dabei um keine gewöhnlichen Dinge handeln konnte. Es konnte nicht Werk des Zufalls sein. In all diesen seltsamen Dingen verbargen sich besondere Geheimnisse (esrar). Doch er konnte ihnen nicht entnehmen, dass hinter allen der Allwirkende steht. So begann er denn von den Früchten dieses Baumes zu essen, ungerührt von dem verborgenen Aufschrei über seine leidvolle Lage und der Klage in seinem Sinn, Herz und Verstand (qalb ve ruh ve aql), weil seine eigenwillige Seele (nefs-i emmare), so als sei dies alles nicht vorhanden, sich über dem Weinen seines Herzens (qalb) und seiner Seele (ruh) mit den Fingern die Ohren verstopfte, und indem sie sich selbst betrog, so tat, als befände sie sich inmitten eines Gartens. Doch einige dieser Früchte waren gar nicht gesund, ja sogar giftig.
In einer Hadith-i Qudsi {Der Prophet verkündet das Wort Gottes mit seinen eigenen Worten. (A.d.Ü.)} hat uns Gott der Gerechte verlautbart: Das heißt: "Ich behandle meinen Diener so, wie ich von ihm erkannt bin." So hielt denn dieser unglückselige Mensch, was er erblickte und in seinem Unverstand fälschlich (sû-i zan ve aqilsizlik) beurteilte, für eine einfache und offensichtliche Tatsache. Und in dieser Weise erlebte er auch das Geschehnis, er erlebt es noch und wird es auch weiterhin so erfahren... So konnte er weder sterben, sodass er von seinem Leiden hätte befreit werden können, noch war es ihm möglich zu leben. So litt er unter seiner Qual. Wir aber wollen, während wir diesen Unglückseligen seiner Strafe überlassen, zurückkehren und wollen sehen, wie es dem anderen Bruder inzwischen ergangen ist.
Siehe, wie dieser Mann in seiner guten Gesinnung (mubarek aqil) daher kommt! Im Gegensatz zu seinem Bruder gerät er nicht in Bedrängnis. Denn dank der guten Erziehung (akhlaq), die er genossen hat, beschäftigt er sich nur mit dem, was gut ist und träumt nur von den schönen Dingen. Er spricht sich selbst Mut zu. Er braucht auch nicht wie sein Bruder unter Mühsal und Anstrengungen zu leiden. Denn er kennt seine Anordnungen (nizam) und unterwirft sich (tebaiyet) ihnen. Ihm öffnen sich alle Türen. Als ein freier Mann bewegt er sich in geordneten und gesicherten Verhältnissen. So gelangt er zu einem Garten. Darin gibt es aber nicht nur schöne Blumen und herrliche Früchte, sondern auch übelerregende Dinge. Denn niemand hegt und pflegt ihn. Auch sein Bruder war schon in einen solchen Garten eingetreten. Doch er hatte den übelerregenden Dingen seine Aufmerksamkeit geschenkt, ja, sich mit ihnen beschäftigt und es wurde ihm davon schlecht. So verließ er den Garten wieder und ging weg, ohne dass er darin Erholung gefunden hätte. Sein Bruder hingegen hält sich an den Grundsatz: "Sieh in allem das Gute!" Er übersieht die schlimmen Dinge. Er macht von den guten Dingen einen guten Gebrauch. Aufs beste erholt verlässt er den Garten, und setzt seinen Weg fort.
Er geht nun immer weiter und weiter und gelangt wie zuvor sein Bruder zu einer gewaltigen Wüste. Plötzlich hört er das Gebrüll des Löwen, der sich auf ihn stürzen will. Er fürchtet sich. Doch seine Furcht ist nicht so stark wie die seines Bruders. Doch weil er stets nur denkt und annimmt, was gut und schön war (= hüsn-ü zanniyle ve güzel fikriyle), tröstet er sich mit dem Gedanken: "Diese Wüste hat ihren Herrn. Es wäre möglich, dass dieser Löwe ein Diener unter dem Befehl seines Herrn ist."
Dennoch flieht er und gelangt zu einer sechzig Ellen tiefen, ausgetrockneten Zisterne und springt hinein. So wie sein Bruder kann er sich in deren Mitte mit seinen Händen an einem Baum festhalten. An ihm festgeklammert bleibt er mitten in der Luft hängen. Er sieht die beiden Tiere, welche die beiden Wurzeln des Baumes benagen. Er blickt nach oben und sieht den Löwen. Er blickt nach unten und sieht einen Drachen. Gleich seinem Bruder erfährt er sich in einer seltsamen Lage. Auch ihn packt die Angst. Doch seine Angst ist tausendmal kleiner als die seines Bruders... Seine gute Erziehung (akhlaq) gibt ihm auch hier wieder gute Gedanken (fikir) ein. Und was diese guten Gedanken betrifft, so zeigen sie ihm alle Dinge im schönsten Licht. So denkt er denn aus diesem Grunde:
"All diese seltsamen Ereignisse stehen miteinander in einem Zusammenhang. Es sieht so aus, als folgten sie alle einem höheren Befehl. Wenn das aber so ist, dann ist in allen Dingen ein tieferes Geheimnis (tilsim) verborgen. In der Tat geschieht alles auf Befehl eines verborgenen Herrschers (hâkim). Wenn das aber so ist, dann bin ich nicht allein. Der verborgene Herrscher kümmert sich um mich. Er stellt mich auf die Probe. Er hat mich aus einem bestimmten (maqsad) Grunde hierher geführt und gerufen."
Aus einer solchen Furcht (tatli korku) und der mit ihr verbundenen Ahnung und allen guten Gedanken heraus, erwächst in ihm die erstaunte Frage: "Wer mag das wohl sein, der mich in dieser Weise prüft und sich mir darin zu erkennen geben will und mich auf diesem seltsamen Weg ans Ziel führt?"
Aus dieser Neugierde und dem damit verbundenen Bedürfnis, den Herrn dieses Geheimnisses (tilsim) kennen zu lernen, erwächst nun die Liebe (muhabbet) zu ihm. Aus dieser Liebe heraus aber keimt in ihm der Wunsch, dieses Geheimnis zu entschleiern. Aus diesem Wunsch aber erwächst in ihm der Wille (irade), sich nun auch so gut und schön und richtig zu verhalten, dass es dem Herrn dieses Geheimnisses wohlgefällt und Er mit ihm zufrieden ist.
Nun blickt er zur Krone des Baumes hinauf und sieht: Es ist ein Feigenbaum. Doch in dieser Krone wachsen Früchte von tausenderlei Bäumen. In diesem Augenblick verschwand aus ihm jede Furcht. Denn nun begriff er mit Sicherheit: Dieser Feigenbaum ist wie eine Speisekarte, ein Inhaltsverzeichnis, eine Ausstellung! Dieser verborgene Herrscher muss die Früchte in Seinen Weinbergen und Gärten in die Bäume gehängt haben, damit sie Muster, Geheimnis und Wunderzeichen sein sollen und Er muss diesen Baum mit ihnen geschmückt haben, damit sie für Seine Gäste ein Zeichen sein sollen für die Speisen, die Er ihnen vorbereitet hat. Könnte denn anders ein einzelner Baum die Früchte tausender Bäume hervorbringen?
Nun begann er zu beten und zu flehen, dass ihm der Schlüssel dieses Geheimnisses (tilsim) zum Erlebnis (ilham) würde, und er rief: "Oh Du, der Du der Beherrscher (hâkim) dieser Stätten bist! Mein Schicksal ruht in Deiner Hand. Zu Dir nehme ich meine Zuflucht und stelle mich in Deinen Dienst. Ich strebe danach, Dein Wohlgefallen zu erlangen. Ich suche Dich."
Über diesem flehentlichen Gebet öffnete sich plötzlich der Schacht der Zisterne, die Schachtwand spaltete sich und eine Pforte zu einem überaus schönen, sauberen und gepflegten Garten tat sich auf. Oder es war vielmehr das Maul des Drachens, das sich in ein solches Tor verwandelte. Löwe und Drache nahmen die Gestalt zweier Diener an. Sie baten ihn, einzutreten und Gast zu sein. Ja, nunmehr nahm der Löwe für ihn sogar die Gestalt eines lammfrommen Pferdes an.
Wohlan denn nun, du meine faule Seele (nefs)! Und du mein Freund, der du mir jetzt in meiner Vorstellung gegenüber sitzt! Kommt (ihr beiden: die Seele und der Freund)! Wägen und vergleichen wir die Lage dieser beiden Brüder! Wollen wir nun schauen und begreifen, wie das Gute wieder Gutes und das Böse (fenalik) wieder Böses hervorbringt!
Seht: Jener Unglückselige, der zu seiner Reise den linken Weg eingeschlagen hat, muss sich ständig bewusst sein, in den Schlund eines Drachens hinabzustürzen und zittert davor. Was aber jenen Glücklichen betrifft, so ist er zu einem Garten eingeladen, der mit vielfältigen Früchten und jeder Art Annehmlichkeit gesegnet ist. Zudem wird das Herz dieses Unglückseligen von schmerzlicher Furcht und einer schrecklichen Angst zerrissen.
Was aber jenen Glücklichen betrifft, so schaut und betrachtet er all jene seltsamen Dinge wie lehrreiche und anregende Beispiele, als ein schreckliches Abenteuer, dessen guter (schlechter) Ausgang von zukünftiger Heilsgewissheit gemildert wird oder als eine Erfahrung, welche ihn die Liebe lehrt. Und weiter noch wird dieser Unglückselige von Einsamkeit, Verzweiflung und Verlassenheit gequält. Der Glückliche hingegen genießt den vertrauten Umgang, er liebt in froher Hoffnung und sehnsüchtigem Verlangen.
Überdies betrachtet dieser Unglückselige sich selbst als einen Gefangenen, bedroht durch die Angriffe wütender Ungeheuer. Doch der Glückliche ist ein hochgeschätzter Gast, der mit den sonderbaren Dienern seines freigiebigen Gastherrn, bei dem er zu Gast ist, vertrauten Umgang pflegt und durch die er Freude und Erholung findet. Und außerdem beschleunigt dieser Unglückselige noch seine Strafe durch den Genuss von Speisen, die zwar äußerlich wohlschmeckend erscheinen, in ihrer Wirkung aber innerlich giftig sind. Denn diese Früchte sind lediglich Muster. Man darf zwar von ihnen kosten, sodass man nach deren Originalen Sehnsucht bekommt und sie erwerben möchte; sie aber gleich einem Tier zu verschlingen, ist nicht erlaubt. Der Glückliche jedoch kostet sie, begreift, worum es sich handelt und verschiebt ihren Genuss auf später. Das Warten darauf wird ihm durch die Vorfreude versüßt. Dagegen ist dieser Unglückselige auch noch ungerecht zu sich selbst. Eine Wahrheit, schön wie der lichte Tag und seine eigene Lage, die wie ein strahlender Tag ist, überführt er in seiner Uneinsichtigkeit selbst in einen finsteren und grausamen Argwohn, der die Gestalt der Hölle annimmt. So widerfährt ihm nur Gerechtigkeit, wenn die Liebe Gottes (shefqat) ihn nicht anrührt und er hat auch kein Recht, irgend jemanden zu beschuldigen.
Dafür ein Beispiel: Wenn sich ein Mann zur Sommerzeit in einem schönen Garten inmitten seiner Freunde nicht damit begnügt, an einem geselligen Mahl teilzunehmen, es sich gemütlich zu machen und zu genießen, stattdessen seine Sinne mit unreinem Rauschtrank vernebelt und nun in der Vorstellung lebt, er befände sich mitten im Winter hungrig und nackt unter Wölfen und nun zu schreien und zu weinen beginnt, so versteht es sich von selbst, dass er kein Mitleid (shefqat) verdient. Er tut sich selbst Unrecht. Er sieht Wölfe in seinen Freunden und beleidigt sie. So ist also die Lage dieses Unglückseligen genauso wie im obigen Beispiel. Was aber den Glücklichen betrifft, so sieht er die Wirklichkeit (haqiqat). Die Wirklichkeit (haqiqat) ist aber schön (güzel). Indem er die Wirklichkeit der Wahrheit gemäß als schön erkennt, gibt er jener Vollendung (kemal) die Ehre, welche dem Herrn (sahib) über alle Wahrheit zu eigen ist. So ist er auch würdig Seines Erbarmens (rahmetine mustehaq olur). So offenbart sich hier der Sinn des Lehrsatzes aus dem Qur'an: "Wisse, dass das Böse (fenalik) aus dir selbst, das Gute aber von Allah kommt."
Ziehst du nun weitere, ähnliche Unterschiede zum Vergleich heran, so wirst du verstehen, dass die eigenwillige Seele (nefs-i emmare) des ersteren, ihm innerlich (manevi) Höllenqualen bereitet. Für den anderen aber manifestieren sich durch dessen gute Absicht (hüsn-ü niyet), seine gute Vorstellungsweise (hüsn-u zan), seinen guten Charakter und seine guten Gedanken (hüsn-u fikr) eine große Güte (ihsan), eine Glückseligkeit, ein persönliches Charisma (fadilet) und Gottes reichster Segen (feyz).
Oh du meine Seele (nefs)! Und du, oh Mensch, der du gemeinsam mit meiner Seele dieser Erzählung zuhörst! Wenn du kein unglückseliger Bruder werden willst, vielmehr ein glücklicher Bruder werden möchtest, dann höre auf den Qur'an und folge seiner Weisung! Halte dich fest an ihm! Beachte seine Leitlinien und setze sie in die Praxis um!
Wenn du dir über die Wahrheit, die in diesen Gleichnissen enthalten ist, klar geworden bist, wirst du auch der Bedeutung der Religion, dem Sinn des Lebens, dem Wert des Menschen und der Bedeutung des Glaubens im Alltag zum Durchbruch verhelfen. Das Wichtigste darüber will ich dir hier sagen. Die Feinheiten magst du dir dann selbst ausmalen!
So siehe denn nun! Was die beiden Brüder betrifft, so wird durch den einen von ihnen die Seele eines Gläubigen (ruh-u mu'min) und das Herz eines rechtschaffenen Menschen (qalb-i salih), durch den anderen die Seele eines Ungläubigen (ruh-u kafir) und das Herz eines sündigen Menschen (qalb-i fasiq) dargestellt.
Von den beiden Wegen führt der rechte den Weg des Qur'an und des Glaubens (tariq-i wur'an ve iman), der linke aber den Weg der Auflehnung und des Unglaubens (tariq-i isyan ve kufran).
Der Garten, durch den diese Wege führen, ist dieses vergängliche menschliche Gemeinschaftsleben (djem'iyet-i besheriye) innerhalb der menschlichen Gesellschaft (medeniyet-i insaniye), ihren sozialen Strukturen, ihrer Kultur und Zivilisation, in dem sich Schönes und Schlechtes, Gutes und Böses, Lauteres und Unsauberes beieinander finden. Der Verständige (aqil) handelt nach dem Grundsatz: {"Nimm das, was dich freudig stimmt (oder: sauber ist) und lass das, was dir Sorge bereitet (oder: schmutzig ist)!"} und geht im Herzen wohlbehalten (selamet).
Die Wüste ist die Erde und das irdische Leben. Der Löwe bedeutet den Tod und seine Stunde. Die Zisterne bezeichnet den menschlichen Körper und seine Lebensspanne. Und ihre Tiefe von sechzig Ellen ist ein Hinweis auf die sechzig Jahre einer durchschnittlichen Lebensspanne und allgemeinen Lebenserwartung. Was aber den Baum darinnen betrifft, so verkörpert er das menschliche Leben nach seiner Länge und in seiner Substanz (madde-i hayat). Die beiden Tiere, ein weißes und ein schwarzes, sind der Tag und die Nacht.
Der Schlund des Drachens bedeutet das Grab als das Tor zum Zwischenreich (berzah) und den Weg ins Jenseits. Doch für den Gläubigen ist dies der Rachen, der die Pforten des Kerkers aufreißt und hinausführt in die Gärten Edens.
Das Ungeziefer stellt die alltäglichen Widerwärtigkeiten dar. Doch auf den Gläubigen wirken sie wie der wohlwollend gemeinte Hinweis Gottes (Ilahiye) und jene Zuwendung des Allbarmherzigen (Rahmaniye), die ihn davor bewahrt, in den Schlaf der Gottvergessenheit zu verfallen.
Was nun die Früchte an dem Baum betrifft, so sind sie die irdischen Gnadengaben (nimetler), die Gott in Seiner vollkommenen Freigiebigkeit (Djenab-i Kerîm-i Mutlaq) gleichsam als eine Speisekarte der jenseitigen Gnadengaben, als Erinnerungsstücke, als Musterbeispiele in der Form von Nachbildungen der Paradiesesfrüchte geschaffen hat, so, als wollte Er Seine "Kunden" damit zum Kauf anregen.
Und obwohl es sich dabei nur um einen einzigen Baum handelt, trägt dieser doch die verschiedensten Früchte. Dies ist ein Hinweis auf die Prägung der einzigartigen Allmacht (qudret-i Samedaniyenin sikkesi), den Stempel der göttlichen Herrschaft (rububiyet-i Ilahiyenin khatemi) und den Siegel des Königreiches der Gottheit (saltant-i uluhiyetin). Denn: "Aus einem einzigen Ding alle Dinge hervorzubringen", d.h. aus der gleichen Erde alle Pflanzen und ihre Früchte sprießen zu lassen, aus dem gleichen Wasser alle Tiere zu erschaffen und zugleich "aus allen Dingen ein einziges Ding hervorzubringen", d.h., dass die so verschiedenen Arten von Nahrungsmitteln, welche die einzelnen Tiere in sich aufnehmen, in die jeweils spezifischen Gewebe dieser Tiere umgewandelt wird. Er strickt Seinen Tieren unabhängig von der Verschiedenheit ihrer Nahrung stets einheitlich die gleiche Haut. Diese und andere ähnliche Werke Seiner Kunst zeigen das persönliche Siegel jener Einen und Einzigartigen Persönlichkeit (Dhat-i Ahad-i Samed), welche König ist von Ewigkeit zu Ewigkeit (Sultan-i Ezel ve Ebed). Es ist der Ihm eigene Stempel.So trägt ein jedes Ding Seine unnachahmliche Prägung. In der Tat ist diese Fähigkeit, aus einem Ding alle Dinge und aus allen Dingen ein einziges Ding hervorzubringen, das persönliche Kennzeichen des Schöpfers aller Dinge; und Wunder (ayat) ausschließlich dessen, der über alle Dinge allmächtig (Qadîr-i Kull-i Shey) ist.
Was aber die Offenbarung des Schlüssels (tilsim) betrifft, so ist er das Geheimnis des Glaubens (sirr-i iman), der das Geheimnis hinter der Weisheit der Schöpfung (sirr-i hikmet-i khilqat) erschließt. Dieser Schlüssel heißt: {"Oh Gott! Es gibt keinen Gott außer Allah. Allah ist und außer Ihm gibt es keinen Gott, Er, der Lebendige, der Beständige." (Sure 2, 256)}
Wenn sich nun aber der Schlund des Drachens in ein Tor zu einem Garten verwandelt, so bedeutet dies: Während sich für die Leute des Irrweges und der Auflehnung das Tor zu einer Friedhofswelt öffnet, eng wie der Bauch eines Drachenungeheuers, und vergleichbar einem Kerker inmitten der Einöde einer vergessenen Welt, öffnet sich für die Leute des Qur'an und des Glaubens das Tor aus dem Gefängnis dieser Welt hinaus zu den ewigen Gärten und heraus aus diesem Prüffeld zu den Gärten Edens, heraus aus der Mühsal (zahmet) des Lebens zum Erbarmen des Barmherzigen (rahmet-i Rahman). Und wenn dieser wilde Löwe zu einem vertrauten Diener wird, bzw. sich in ein lammfrommes Pferd verwandelt, so bedeutet dies, dass das Tor für die Leute des Irrweges eine ewige, schmerzliche Trennung von all ihren Lieben (mahbub), noch dazu eine Vertreibung aus ihrem eigenen, imaginären irdischen Paradies, eine Einschließung in den Kerker, das Gefängnis des Grabes inmitten ihrer Einsamkeit und Verlassenheit ist; für die Leute der Rechtleitung und des Qur'an hingegen ein Fahrzeug, um ihren alten Freunden und all den Lieben, welche in die andere Welt hinübergegangen sind, wieder zu begegnen. Außerdem ist es das Mittel, um in die wahre Heimat und zum Sitz der ewigen Glückseligkeit zu gelangen. Und weiter ist es eine Einladung in die Gärten Edens, heraus aus dem Kerker dieser Welt. Darüber hinaus ist der Tod auch der Augenblick, in dem wir von der Gnade des allbarmherzigen Erbarmers (Rahman-i Rahîm'in fadl) den Lohn für die Dienste, die wir Ihm geleistet haben, in Empfang nehmen. Und schließlich ist er die Befreiung von einer lebenslangen Verpflichtung, sich zu mühen und zu plagen. Und endlich bringt er den Feierabend, nachdem der Dienst abgeleistet, die Prüfungen bestanden, die Übungen beendet und alle Vorschriften erfüllt worden sind.
Zusammenfassung: Wer auch immer sein Hauptaugenmerk nur auf dieses vergängliche Leben gerichtet hält, der mag äußerlich betrachtet in einem Paradies leben, innerlich ist es die Hölle. Und wer auch immer sich ernsthaft um ein ewiges Leben bemüht, dessen Leben wird glücklich in beiden Welten, in dieser und in jener Welt. Wie schlimm auch immer seine Welt sein mag und wie sehr sie ihn auch bedrückt, so betrachtet er sie dennoch guten Mutes und frohen Sinnes, weil er in ihr einen Wartesaal und einen Vorraum des Paradieses sieht, erträgt sie auf diese Weise und geduldet sich in Dankbarkeit.
{"Oh Gott, mache uns zu Leuten der Glückseligkeit und des Friedens, zu Leuten, die den Qur'an und den Glauben (in ihren Herzen) tragen. Amen. Oh Gott, schenke Deinen Segen und Deinen Frieden unserem Herrn Mohammed und seiner Familie, seinen Gefährten, nach der Anzahl aller Buchstaben des Qur'an, wie sich in all seinen Worten formen und sich mit der Erlaubnis des Allerbarmers in den Wellen der Luft widerspiegeln, wenn sie von seinen Rezitatoren seit den Zeiten ihrer ersten Offenbarung bis zum Ende aller Zeiten vorgetragen werden, erbarme Dich unser und unserer Eltern und erbarme Dich aller gläubigen Männer und Frauen in gleicher Zahl nach Deinem Erbarmen, oh Barmherzigster aller Barmherzigen. Amen." "Lob und Preis sei Gott, dem Herrn der Welten!"}